Milliardenbedarf trifft Milliardenlücke
Die Länder zögern, der Bund kleckert: Warum das Sondervermögen für die Hochschulsanierung keine echte Entlastung zu bringen droht.
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DIE HOCHSCHULEN nahmen die neue Bundesregierung beim Wort. "Eine Schnellbauinitiative von Bund und Ländern zur Modernisierung, energetischen und digitalen Ertüchtigung von Hochschulen und Universitätskliniken, inklusive Mensen und Cafeterien" hatte Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag angekündigt. Und nur wenige Tage, nachdem das neue Bundeskabinett vereidigt worden war, forderte die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) per Beschluss: "Dieses Sofortprogramm sollte 38 Milliarden Euro nicht unterschreiten."
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär hatte daraufhin bereits in ihren ersten Interviews Erwartungsmanagement betrieben. Die CSU-Politikerin sagte: Auch wenn eigentlich die Länder für den Hochschulbau zuständig seien – sie finde, "wir haben eine moralische Verantwortung, uns auch um die sogenannten Brot-und-Butter-Themen zu kümmern." Und wenn es mit einem kleinen Betrag sei: "Irgendwo anzufangen, ist allemal besser, als immer nur zu sagen: 'Das können wir uns sowieso alles nicht leisten.‘"
Viel versprochen, wenig eingeplant
Wie klein der Betrag im am Mittwoch beschlossenen Regierungsentwurf für 2026 ausfiel, überraschte dann doch: 60 Millionen. Vorgesehen nicht nur für die Schnellbauinitiative, sondern auch für eine Bund-Länder-Initiative Forschungsbau – finanziert aus dem Sondervermögen "Infrastruktur und Klimaneutralität". Weniger als ein Sechshundertstel der von der HRK genannten Summe. Natürlich sind die 60 Millionen nur die erste Jahrestranche, aber kommt da tatsächlich noch so viel mehr?
Im Hintergrund verweisen Koalitionspolitiker auf die von Bär bereits angesprochene Zuständigkeit der Länder – und auf deren 100-Milliarden-Anteil am Sondervermögen. Das erhielten sie ja genau zu dem Zweck, um überfällige Investitionen in ihrem Zuständigkeitsbereich zu tätigen, vor allem auch für die Sanierung von Schulen und Hochschulen.
Aber tun sie es auch? Dass die Finanzminister der Länder sich der Dimensionen des Problems bewusst sind, zeigte zuletzt eine Hochrechnung der Hamburger Finanzbehörde: 140,9 Milliarden Euro seien erforderlich, um bis Ende der 30er Jahre bundesweit alle Hörsäle, Seminar-, Verwaltungs- und Laborgebäude aus der Baufälligkeit zu befreien oder zu ersetzen. "Wir brauchen eine Öffnung der Schuldenbremse für echte Zukunftsinvestitionen – zum Beispiel mit einem Sondervermögen Infrastruktur, mit dem über eine Dekade diese Investitionen in machbaren Bauprogrammen abgerufen werden können", sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) Ende Januar 2025.
Das Sondervermögen mit einer Laufzeit von zwölf Jahren gibt es jetzt, doch Hamburg hält sich noch bedeckt, wie viel von seinem Anteil daran in die Hochschulsanierung fließen wird. "Die exakte Verteilung der Mittel auf die jeweiligen Investitionsbereiche ist noch nicht final konkretisiert", teilt Dressels Behörde mit. "Auf jeden Fall werden die Mittel des Sondervermögens aber auch dazu beitragen, die ohnehin schon massiven Investitionen Hamburgs in seinen Schul- und Hochschulbau noch weiter zu verstärken.“
Nur zwei Länder wollen sich festlegen
Aus fast allen Landesfinanzministerien fallen die Antworten ähnlich aus. Viele warten mit der Aufteilung, bis das Gesetz zum Sondervermögen im Bund alle parlamentarischen Hürden passiert hat. Manche verweisen zusätzlich noch auf die Verwaltungsvereinbarung, die Bund und Länder danach abschließen müssten. Der Tenor: Vor Herbst wird es da keine Klarheit geben.
Doch es gibt zwei Ausnahmen. Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben sich bereits festgelegt. Ihnen reicht der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf, der die genaue Aufteilung der 100 Milliarden bis 2036 unter den 16 Bundesländern bis auf die vierte Nachkommastelle angibt, dazu die neun "Infrastrukturbereiche", für die das Geld verwendet werden darf. Wobei das begleitende Wort "insbesondere" die Sache – offenbar mit Absicht – schwammig macht. Punkt 5: Bildung. Punkt 8: Forschung und Entwicklung.
Niedersachsen will von seinen gut 9,4 Milliarden Euro laut Finanzministerium 850 Millionen Euro in den Medizin-Hochschulbau stecken und weitere 500 Millionen in den allgemeinen Hochschulbau. Macht zusammen 1,35 Milliarden oder 14,3 Prozent seines Anteils am Sondervermögen.
Mecklenburg-Vorpommern gibt an, etwa 150 Millionen seiner gut 1,9 Milliarden Euro für das "Investitionsfeld Forschung und Wissenschaft, zu dem die Hochschulen zählen", einzuplanen – 7,8 Prozent.
Addiert man wiederum die vorgesehenen Ausgaben in beiden Ländern und setzt sie in Relation zu ihrem kumulierten Anteil am Sondervermögen, ergibt das 13,2 Prozent für den Hochschulbau (wobei in MV offenbar ein nicht bekannter Anteil für den Forschungsbau abgezogen werden muss).
Von den eigenen Finanzministern hängengelassen?
Natürlich ist es schwierig, von zwei Ländern auf 16 hochzurechnen, aber nimmt man für einen Augenblick an, es würde bundesweit auf einen vergleichbaren Anteil herauslaufen, lautete das Ergebnis: Etwas mehr als 13 Milliarden Euro aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für den Hochschulbau.
Um auch nur halbwegs in den von der HRK geforderten Bereich zu kommen, müssten die übrigen 14 Länder also anteilig mindestens dreimal so viel für den Hochschulbau vorsehen wie Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Was ähnlich wahrscheinlich erscheint wie die Vorstellung, dass demnächst der Bund seine jährlich 60 Millionen für die Schnellbauinitiative und die Initiative Forschungsbau massiv aufstockt.
Ein "kraftvolles Bund-Länder-Programm" im Hochschul- und Forschungsbau hatte Ende Januar 2025 auch die Wissenschaftsministerkonferenz der Länder verlangt. Es sei ein "Investitionsvolumen in dreistelliger Milliardenhöhe erforderlich". Doch es sieht so aus, als würden die Landeswissenschaftsminister schon von ihren eigenen Finanzministerkollegen hängengelassen.
Mit seiner Forderung berief sich die HRK auf eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft von 2024. Der Gesamtsanierungsbedarf an deutschen Hochschulen für die Gebäudeinfrastruktur und energetische Sanierung werde auf mindestens 90 Milliarden Euro geschätzt. Darum müsse priorisiert werden. "Es müssen vorrangig umgehend von der Schließung bedrohte, nicht mehr funktionstüchtige Gebäude, die für laufende Forschungsarbeiten und die Hochschullehre zwingend benötigt werden, saniert oder ersetzt werden." In diesem Sinne seien die geforderten 38 Milliarden – die Untergrenze.
Schulen können auf mehr Geld hoffen
Und wie sieht es mit den Schulen aus? Besser – soweit sich das aus den wenigen bereits verfügbaren Informationen ableiten lässt,
"Schulbau und -sanierung fallen in die Zuständigkeit der Kommunen", heißt es aus Niedersachsen. Die Landesregierung gehe davon aus, dass ein "nicht unwesentlicher Teil den Kommunen pauschal zufließenden Mittel von den Kommunen für diesen Zweck verwendet wird". Konkret: Die Niedersachsens Kommunen sollten „mindestens 60 Prozent“ des niedersächsischen Sondervermögen-Anteils erhalten, was gut 5,8 Milliarden Euro entspricht. 4,7 Milliarden bekommen sie pauschal – also ohne jede Vorgabe. Vom niedersächsischen Anteil sollen derweil 800 Millionen für die Versorgung von Schülern ab Klasse 7 mit Tablets eingeplant.
Einen Anhaltspunkt, was vom kommunalen Anteil im Schulbau ankommen könnte, liefert das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern. Laut Finanzministerium will das Land "nach aktuellem Planungsstand" 60 Prozent seiner 1,92 Sondervermögen-Milliarden an die Kommunen weiterleiten, also 1,15 Milliarden. Von denen wiederum rund 600 Millionen in das "Investitionsfeld Bildung" fließen sollen, "zu dem Schulen, Schulinfrastruktur und -digitalisierung zählen". Also über 30 Prozent des gesamten Anteils am Sondervermögen, den Mecklenburg-Vorpommern in den nächsten 12 Jahren erhält.
In Schleswig-Holstein, das die genaue Verwendung seines Anteils von rund 3,5 Milliarden Euro noch nicht festgelegt hat, steht bereits fest, dass 62,5 Prozent an die Kommunen überwiesen werden sollen. Das hessische Landesfinanzministerium kündigt an, dass "mehr als die Hälfte" von Hessens 7,5 Milliarden für die Kommunen bestimmt seien, als Teil des angestrebten "Zukunftspakts für starke Kommunen“. Die Details würden gerade erörtert.
Das sind die einzigen Länder, die bereits Angaben machen. Überall sonst soll, wie im Haupttext beschrieben, im Laufe des Herbstes entschieden werden. Doch wenn man davon ausgeht, dass überall ähnlich verfahren wird, könnten am Ende durchaus substanzielle Beträge in den Schulen landen.
Was dringend nötig wäre. Die Kommunen schätzen den Sanierungsstau allein an den Schulen auf an die 50 Milliarden Euro.
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