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Dann mal los

Die Universitäten haben nach monatelangem Zögern grünes Licht für die Max Planck Schools gegeben. Warum sie so lange brauchten und wie sich die Geduld der Max-Planck-Gesellschaft jetzt bezahlt macht.

DIE MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT (MPG), die Universitäten und die übrigen außeruniversitären Forschungsorganisationen haben die ersten drei Max Planck Schools bestimmt. Die Auswahlentscheidung fiel bereits vor über zwei Wochen, doch um verbindlich zu werden, musste auch noch die Mitgliedergruppe der Universitäten in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) ihre formale Zustimmung erteilen. Das habe sie jetzt in großem Einvernehmen getan, bestätigte gestern der zuständige HRK-Vizepräsident Ulrich Rüdiger, der als einer von drei stimmberechtigten Universitätsvertretern im neunköpfigen Auswahlgremium für die Schools gesessen hatte. Die siegreichen Anträge wird Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) in wenigen Wochen bekanntgeben. 

 

Damit endet die monatelange Hängepartie um die zwei Jahre alte Idee von MPG-Präsident Martin Stratmann, deren Umsetzung Wanka im März hier im Blog angekündigt und damit zu ihrem letzten wissenschaftspolitischen Großprojekt in dieser Legislaturperiode erklärt hatte. Die drei ausgewählten Schools sollen 2018 starten: ein großartiger Verhandlungserfolg für die MPG, aber auch für die Hochschulen. Und eine selten gute Gelegenheit für die Wissenschaft insgesamt, die Förderung der talentiertesten Nachwuchswissenschaftler ein Stückweit neu zu erfinden. Die Schools könnten die Universitäten kräftig durchwirbeln, und damit sie das können, war zwingende Voraussetzung, dass die Universitäten sich auch durchwirbeln lassen wollen. 

 

Noch unmittelbar vor dem für den 20. Juli angesetzten Treffen des Auswahlgremiums hatte die HRK signalisiert: Nichts sei in trockenen Tüchern. Bevor man daran denken könne, Anträge durchzuwinken, sei ein offizielles, von den HRK-Gremien akzeptiertes Protokoll unerlässlich, in dem endlich alle offenen Fragen beantwortet und die verbliebenen Kritikpunkte der Universitäten endgültig ausgeräumt würden. Dieses Protokoll erarbeiteten MPG und HRK gemeinsam nach einem Spitzengespräch zwischen Stratmann, HRK-Präsident Horst Hippler und weiteren Universitätsvertretern am Vorabend der Auswahlsitzung – zur großen Zufriedenheit der Hochschulen, die es jetzt absegneten, wie Rüdiger, Rektor der Universität Konstanz, sagt: "Gerade angesichts der Startschwierigkeiten, die wir hatten, ist das bemerkenswert."

 

Die MPG, so steht es in dem "Gemeinsamen Beschluss des HRK-Präsidiums, des Sprecherkreises der Mitgliedergruppe Universitäten und der HRK-Konzeptgruppe Max Planck Schools", werde keinerlei akademischen Abschlüsse vergeben, in allen Studien- und Promotionsangelegenheiten seien die jeweiligen Gremien der beteiligten Universitäten zuständig. Das Konsenspapier ist gestern Abend kurzfristig an alle Uni-Rektoren in der HRK versandt worden.

 

Es war eine faszinierende Idee, die Stratmann erstmals bei der Max-Planck-Jahresversammlung vorgeschlagen hatte: MPG-Direktoren und herausragende Universitätsprofessoren sollten sich als so genannte Fellows in überregionalen "Max Planck Schools" zusammentun, um nach Fächern organisiert "besonders talentierten Bachelor- und Masterabsolventen“ aus aller Welt „die Gelegenheit zu geben, sich mit jüngstem Wissen von der vordersten Front der Wissenschaft auseinanderzusetzen." Auch Forschungsministerin Wanka „fand die Grundidee sehr gut“, wie sie im März sagte und versprach, drei Piloten zu fördern, allerdings unter zwei Voraussetzungen: dass erstens auch Forscher der anderen außeruniversitären Forschungsorganisationen mitmachen können und dass zweitens das Promotionsrecht klipp und klar bei den Universitäten verbleibe. 

 

Faszinierend ist die Idee vor allem deshalb, weil sie einen Standortnachteil Deutschlands ausgleichen könnte: Keine Universität hierzulande kann von ihrer Dichte an Spitzenwissenschaftlern mit Harvard oder Yale mithalten, aber wenn man die Koryphäen aus Universitäten und außeruniversitären Forschungsorganisationen deutschlandweit zusammenführt, dann müssten sich doch einige der talentiersten Studenten aus aller Welt anlocken lassen.

 

Warum gab es dann so lange Ärger um die Schools, und hätte man all die Nervereien verhindern können? Die kurze Antwort auf beide Fragen. Erstens: Weil die Universitäten sind, wie sie sind, und zweitens: Nein – und die Nervereien waren sogar notwendig. 

 

Zu erstens: Die meisten Universitäten sind zwar Tanker, aber das Ruder, das ihre Kommandobrücke bedienen kann, passt eher zu einem Fischkutter. Dieser Vergleich ist nicht spöttisch gemeint, im Gegenteil: Ließe sich eine gesellschaftlich so zentrale Institution wie eine Volluniversität durch einen leichten Tipp ans Steuerrad einfach so vom Kurs abbringen, könnte sie ihrer komplexen Aufgabe in Forschung und Lehre nicht gerecht werden. Sie soll Wissen bewahren und weitergeben, wissenschaftliche Standards sichern, breiten Raum für unterschiedliche Meinungen und Forschungsansätze bieten und, anstatt dauernd irgendwelchen kurzfristigen Mainstream zu produzieren, soll sie hin und wieder mit einer echten Neuerung aufwarten. Die meisten Mitglieder einer Universität haben diese Mission verinnerlicht und reagieren erst einmal ablehnend auf grundlegende Veränderungen. Nicht immer zu Recht, aber sie tun es.

 

Die Max Planck Schools sind aus der Sicht vieler Professoren noch dazu die Art von Veränderung, der sie am skeptischsten gegenüberstehen: Sie kommt vermeintlich schlicht daher, verbunden mit einem strahlenden Erfolgsversprechen, könnte sich aber im Nachhinein als grundlegender erweisen als zunächst gedacht. Forschungsministerin Wanka hatte das genau erkannt im März und deshalb von Anfang so auf Klarheit beim Promotionsrecht gepocht.

 

Zu zweitens: Weil die Universitäten so sind, mussten ihre Rektoren sie in der Art repräsentieren, wie sie es in den vergangenen Monaten getan haben. Sie mussten es Max Planck und Wankas Ministerium schwer machen, um genau dies ihren eigenen Leuten melden zu können: Wir haben uns nicht für ein paar Euro Bundesgeld verkauft. Wir haben uns das Promotionsrecht nicht von den Außeruniversitären abluchsen lassen. Wir haben dafür gesorgt, dass keine Weichenstellung an keiner School ohne Zustimmung von uns Universitäten erfolgen wird. Symbolhandlungen, natürlich. Genauso wie der Brandbrief, den der Universitätsverbund German U15 im Mai an Wanka versandt hat und in dem die Rektoren vor einer schleichenden Aushöhlung der Promotion warnten und konstatierten: Die konzeptionellen Überlegungen lösten "in ihrer aktuellen Fassung die Spannung zwischen einer notwendigen Anbindung von Doktorandinnen und Doktoranden an einen bestimmten Standort und der standortübergreifend angelegten Struktur nicht auf." Adressat solcher Zeilen waren Wanka und die MPG, aber mindestens so sehr die eigenen Professoren.

 

Auch die zunehmende Genervtheit, mit der etwa Max-Planck-Vizepräsident Ferdi Schüth im Interview auf die konzentrischen Kreise der Universitätsvertreter reagierte ("Es kommt der Tag, da will die Säge sägen"), kam zwar aus ehrlichem Herzen, erfüllte aber zugleich eine wichtige Funktion im Spiel der Rektoren: Schaut, liebe Unis, wie wir die MPGler pieksen.

 

Alle Kooperationen, so steht es jetzt in der Vereinbarung, sollen durch jeweils eigene Verträge durch die Partner abgesichert werden, unterzeichnen müssen die Leitungen der Forschungsorganisationen und der Hochschulen, aus denen die Fellows kommen. In den Verträgen, für die Musterdokumente abgestimmt werden sollen, werden alle Details etwa zu den zu verleihenden Abschlüssen geregelt. 

 

Expliziter geht es nicht. Dabei war den meisten Rektoren schon ohne Vereinbarung längst klar, dass Max Planck sich nie wirklich das Promotionsrecht erschleichen wollte. Aber um ihre persönliche Meinung ging es, siehe oben, gar nicht. Gerade deshalb ist es der MPG hoch anzurechnen, dass sie nicht getan hat, woran Schüth als Option laut gedacht hatte: Wenn nichts Anderes helfe, "planen wir am Ende eben doch nur mit internen Verbünden, aber der Nutzen für das Wissenschaftssystem wäre dann natürlich geringer." Die MPG hat durchgehalten und abgewartet, bis die Rektoren ihre Kreise fertig gezogen hatten, und als Dank können die Univertreter den Außeruniversitären jetzt eine Verlässlichkeit bieten, die ihr spontanes "Machen wir so!" nie beinhaltet hätte. Ein "Machen wir so" hätte statt dessen das ständige Risiko in sich getragen, dass die Schools im letzten Moment noch abgeschossen worden wären. 

 

Also: Die Nervereien mussten sein, weil die Universitäten so sind, wie sie sind. Und ihr Ergebnis ist eine Übereinkunft, die aus der großartigen Idee von vor zwei Jahren eine echte Zukunftsoption fürs deutsche Wissenschaftssystem machen könnte. Das "könnte" ist bewusst gewählt. Die nächsten fünf Jahre ist Zeit, das Potenzial der Schools zu ergründen, herauszufinden, ob sie wirklich in der Virtualität funktionieren, in der Schüth sie beschreibt: "Eine Max Planck School wird kein Ort sein, sondern eine Gemeinschaft der Köpfe, der Lehrenden, die sich in ihr zusammenschließen, und für diese Gemeinschaft entscheiden sich die Studierenden." 

 

Woraus gleich die nächste wissenschaftspolitische Aufgabe erwächst. So unverzichtbar das Hin und Her der vergangenen Monate war, so essentiell für die dauerhafte Akzeptanz der Schools wird am Ende der Pilotphase ihre ehrliche Evaluation sein. Also keine, deren Ergebnis politisch schon vorgegeben ist, sondern die die Stärken und Defizite des Konzepts offen benennt. Den Hochschulen war dieser Punkt sogar so wichtig, dass er Nummer eins der gemeinsamen Erklärung mit der MPG geworden ist und am Ende des Papiers sogar noch ein zweites Mal auftaucht. Die Evaluation müsse "international hohen Qualitätsmaßstäben" entsprechen. Und: Sollte das Format auf Dauer gestellt werden, heißt es in dem Papier, könne die Ausgestaltung und Weiterentwicklung über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) erfolgen. "Das ist aber nur eine Überlegung", sagt Ulrich Rüdiger. "Entscheidend ist, dass wir ein wissenschaftsgeleitetes Verfahren sicherstellen."

 

Anders formuliert: Nochmal so wie in der Pilotphase soll es bei der Auswahl der Schools nicht laufen. Apropos, wer nun wissen will, welche drei Anträge durchgekommen sind und welche Disziplinen damit zum Zuge kommen, der muss sich bis zum 4. September gedulden. Laut Abmachung will Johanna Wanka erst dann die Entscheidung des Auswahlgremiums verkünden. Wobei die Gesprächigkeit aller Beteiligten nun, da die Schools in trockenen Tüchern sind, exponentiell steigen dürfte. Schon munkelt man, der Termin könne auch nach vorn verlegt werden.

 

Am Ende eine Fußnote: In den vergangenen Monaten war fast nur noch von den Verhandlungen zwischen MPG und Hochschulen die Rede, dabei hatten doch Fraunhofer, Helmholtz und Leibniz auf Wunsch der Ministerin auch eine Stimme im Auswahlgremium und vor allem angesichts des Namens "Max Planck Schools" ihre eigenen Vorbehalte. Die Stille an der außeruniversitären Front hatte einen Grund: Die Chefs der drei Organisationen haben ihre Kritik heruntergeschluckt und sich in den Dienst der Sache gestellt – bemerkenswert uneitel und zugleich mit Sinn für Realität. Wie hatte Wanka schon im März gesagt: Der Name Max Planck habe international die größte Strahlkraft: "Das müssen alle akzeptieren.“ Und das haben sie. 

 

Foto: ANKAWÜ: "Ampelmännchen ("gehen") in Berlin", CC BY SA 2.0

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Kommentare: 2
  • #1

    Dennis Hillemann (Donnerstag, 10 August 2017 09:03)

    Vielen Dank für die ausgezeichnete Analyse und ohnehin die Begleitung des Prozesses, über den ich durch diesen Blog aktuell informiert war.

    Es erschließt sich mir zwar nicht, warum die Verkündung der "Auserwählten" erst im September erfolgt (auch Gründe des Wahlkampfes dürften hier wenig Gewicht haben), aber sei es wie es sei: Es ist eine bedeutende Entwicklung der deutschen Wissenschaftspolitik.

    Die Evaluation betrachte ich mit der auch im Beitrag anklingenden Skepsis. Wer evaluiert die MPG? Wer wählt die Kommission aus? Was sollen die Kriterien sein? Ich bin gespannt.

  • #2

    GoaCDtTd (Montag, 26 September 2022 07:30)

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