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"Die TU Nürnberg darf kein Stand-Alone werden"

Hans Jürgen Prömel wird Gründungspräsident der ersten staatlichen Uni-Neugründung seit vielen Jahren. Was hat er vor?

Foto: privat.
Foto: privat.

Herr Prömel, Sie sind 67 und waren erst sieben Jahre Vizepräsident der Berliner Humboldt-Universität und anschließend 12 Jahre Präsident der TU Darmstadt. Andere setzen sich nach so einer Karriere zur Ruhe, Sie aber werden Gründungspräsident der neuen Technischen Universität Nürnberg (TUN).

 

Wenn Sie fast 20 Jahre in der Leitung von etablierten Hochschulen zubringen, führen Sie im Kopf eine Liste, was Sie alles anders machen würden, wenn die Strukturen nicht schon so festgelegt wären, dass sie Veränderungen kaum noch zulassen. Und genau diese Liste kann ich jetzt abarbeiten: Ich bin nach dem Gründungskanzler erst der zweite Mitarbeiter der TUN. Das halte ich für eine fantastische, eine einmalige Chance.

 

Was genau macht die Veränderungen an bestehenden Universitäten so schwer?

 

Die Entwicklung der Technikwissenschaften verläuft in einem frappierenden Tempo, dem müsste eine Technische Universität in ihren Strukturen eigentlich beständig folgen. Doch solange in Deutschland die Hochschulbudgets vielfach kaum mehr als um einen Inflationsausgleich wachsen, schaffen Sie das nicht. In Darmstadt hatte ich zum Beispiel früh den Plan, ein Zentrum für Cognitive Science zu gründen, an der Schnittstelle von Psychologie, Neurowissenschaft und Computerwissenschaften. Doch es hat einige Jahre gedauert, bis ich anderswo fünf, sechs Stellen dafür herausgeschnitten hatte.

 

"In der Umsetzung wird sich bei manchen Dingen herausstellen, dass man sie anders machen muss."

 

Jetzt sind Sie zwar Chef einer Uni, die es noch nicht gibt, dafür aber müssen Sie sich an ein detailliertes Gründungskonzept halten, das eine Kommission unter der Leitung des früheren Präsidenten der TU München, Wolfgang Herrmann, ausgearbeitet hat.

 

Die Kommission war eine große und vielseitige Gruppe kluger Menschen, ich unterstütze das meiste von dem, was sie aufgeschrieben haben: die flachen Hierarchien zum Beispiel, die Integration von Geistes- und Sozialwissenschaften, neue hybride Lehr- und Lernformate. Trotzdem ist längst nicht alles in Stein gemeißelt, in der konkreten Umsetzung wird sich bei manchen Dingen herausstellen, dass man sie anders machen muss.

 

200 bis 250 Professoren auf 5000 bis 6000 Studierende: eine Professoren-Relation, die zweimal so gut ist wie an anderen bayerischen Universitäten. Dazu gibt es Milliarden für neue Gebäude und Labore. Wird die TUN ein Edel-Monolith neben den normalsterblichen Hochschulen?

 

Kein Monolith, sondern eine Gelegenheit für alle Wissenschaftseinrichtungen in der Region Nürnberg und darüber hinaus. Nachdem Staatsminister Sibler vergangene Woche meine Berufung verkündet hatte, bestand eine meiner ersten Handlungen darin, dass ich den Präsidenten der Universität Erlangen-Nürnberg angerufen habe, um zu sehen, was wir gemeinsam auf die Beine stellen können. Die TUN darf kein Stand-Alone werden, das bei anderen nur Neid hervorruft.

 

Kritiker bemängeln, dass praktisch alle Studiengänge auf Englisch stattfinden sollen.

 

Die Wissenschafts- und Ausbildungssprache der TUN wird Englisch sein, dabei bleibt es. Es wird aber für alle Studierenden, die aus dem Ausland kommen, die Verpflichtung geben, Lehrveranstaltungen zur deutschen Sprache und Kultur zu belegen. Umgekehrt werden wir die deutschsprachigen Studierenden systematisch auf die Wissenschaftssprache Englisch vorbereiten. Wir ziehen hier ja kein Geschäftsmodell nach US-Vorbild auf, das Geld über Studiengebühren reinholen soll. Wir wollen kluge Menschen aus aller Welt für ein Studium begeistern und erreichen, dass sie danach zum Arbeiten in Deutschland bleiben. Oder in ihrer Heimat für deutsche Unternehmen arbeiten.

 

Wann geht es los?

 

Staatsminister Sibler hat neulich nochmal das Wintersemester 2023/24 genannt. Die Strukturen würden ein solches Tempo hergeben. Ein Verfügungsgebäude soll schon Ende 2023 fertig gestellt sein, das 


Dieses Interview erschien gestern zuerst und
exklusiv in meinem wöchentlichen Newsletter. 


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Kommentare: 3
  • #1

    Th. Klein (Donnerstag, 18 Februar 2021 10:28)

    "bestand eine meiner ersten Handlungen darin, dass ich den Präsidenten der Universität Erlangen-Nürnberg angerufen habe" - ja, richtig und gut. Aber es gibt auch eine TH Nürnberg! Auch für diese ist die TUN ja ggf. Konkurrenz.

  • #2

    Geisteswissenschaftler (Samstag, 20 Februar 2021 14:35)

    Bisher sind alle Versuche gescheitert, an einer staatlichen deutschen Neugründung dauerhaft höhere Standards zu schaffen. Ich erinnere nur an Lüneburg, Erfurt, Konstanz.

    Dazu kommt, dass Herrmann und Prömel seit Jahrzehnten zum Inventar des deutschen Wissenschaftsmanagements gehören. Warum hat man keinen Gründungspräsidenten aus dem Ausland berufen, um einen wirklich frischen Start zu ermöglichen? Natürlich behaupten beide, sie hätten schon gekonnt, wenn man sie nur gelassen hätte. Die "Strukturen" waren schuld! Aber wie glaubwürdig ist das?

  • #3

    Volker Heider (Samstag, 06 März 2021 08:36)

    "Söder sagte laut Teilnehmerangaben: „Was regen sie sich auf, dass ist doch nicht ihr Geld.“ Darauf Scholz: „Nein, es ist aber das Geld der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, über das sie so frei verfügen wollen.“ Tagesspiegel, 4.3.2021. So ist das auch mit der TUN. Geld wird einfach ausgegeben. Ich vermisse die Diskussion über die Notwendigkeit und Errichtung der TUN bis heute. Bekennende Kritiker gibt es nicht. Anfängliches Gemurre von Persönlichkeiten wie Thomas Schöck oder Michael Braun wurde im Keim erstickt. Wenn die neue TUN der TH Nürnberg, den Unis Erlangen, Bayreuth oder München die Studenten abzieht, ist die TUN dann ein Erfolg? Herrn Professor Prömel kann man nur viel Glück wünschen.