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Sattelberger tritt überraschend zurück

Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF nennt "gesundheitliche und persönliche Gründe". Fehlte ihm der politische Rückhalt?

Thomas Sattelberger im Paul-Löbe-Haus in Berlin. Foto: Wolfgang Maria Weber. 

ES IST EIN PAUKENSCHLAG. Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Thomas Sattelberger (FDP), hat heute Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger um seine Entlassung gebeten. Das bestätigte das Ministerium.

 

Sattelberger selbst verwies auf "gesundheitliche und private Gründe". Es sei für ihn ein Punkt erreicht gewesen, "an dem ich eine Entscheidung treffen musste. Sie ist mir nicht leichtgefallen." Er werde auch sein Mandat als Bundestagsabgeordneter aufgeben.

 

Stark-Watzinger sagte, sie bedaure Sattelbergers Rückzug außerordentlich. Er habe als Staatssekretär starke Impulse insbesondere für Forschung, Innovation und Transfer gesetzt.

 

Der Schritt Sattelbergers kommt völlig überraschend. Er könnte dafür sprechen, dass Sattelberger im Ministerium oder in der Regierungskoalition nicht mehr den nötigen Rückhalt für seine ambitionierten Vorhaben sah. Allerdings wirkte der 72-Jährige auf viele Beobachter zuletzt tatsächlich gesundheitlich angeschlagen. Womöglich war es am Ende genau die Kombination von beidem, die den Ausschlag gab für Sattelbergers Entscheidung. Der ehemalige Spitzenmanager ist für seine Konsequenz bekannt.

 

Kurz vor Sattelbergers Rücktritt stellte der Haushaltausschuss neue Bedingungen für die DATI

 

Einen möglichen aktuellen Anlass gab es gestern. Da hatte die von Sattelberger vorangetriebene Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) einen weiteren empfindlichen Rückschlag erlitten. Schon vor Wochen hatte das Finanzministerium von Christian Lindner (ebenfalls FDP) initiiert, dass vom Budget für die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) dieses Jahr 15 Millionen Euro gesperrt werden sollten – bis zur Vorlage eines "schlüssigen Konzepts".

 

Gestern dann stellten die Bundestagshaushälter – unter Mitwirkung der FDP-Abgeordneten – weitere Bedingungen: Nur wenn der Haushaltsausschuss zustimme, dürfe das Geld vom Finanzministerium entsperrt werden. Sattelberger, der sich persönlich so für die DATI exponiert hatte, dürfte diese Entscheidung empört haben. War das für ihn der erreichte Punkt, von dem er heute etwas nebulös sprach?

 

Auch der bereits 2019 gegründeten Agentur für Sprunginnovation (SPRIND) sperrte der Haushaltsausschuss in seiner Bereinigungssitzung einen erheblichen Teil der Ausgaben. Dem Vernehmen nach 20 Prozent. Sie soll es erst geben, wenn eine Evaluation der bisherigen Tätigkeit von SPRIND vorliegt – und auf der Basis ein Bericht über die geplante Weiterentwicklung. 

 

Sattelberger hatte sich besonders dem Ziel verschrieben, den Wissenstransfer und aus Ausgründungen aus der Wissenschaft zu stärken (wofür extra der neue Posten eines BMBF-Beauftragten eingerichtet wurde), aber auch die Diversität und die Führungskultur in Wissenschaftseinrichtungen zu mehr politischer Beachtung zu verhelfen. Und wie alle Aufgaben packte er sie nach dem "Ganz oder gar nicht"-Prinzip an und nahm in Kauf, im Zweifel anderen dabei auf die Füße zu treten.

 

Für Stark-Watzinger kommt jetzt
eine ernste politische Bewährungsprobe

 

So fand gestern zudem eine Senatssitzung der Fraunhofer-Gesellschaft statt, die von Sattelberger in seiner Zeit als Oppositionsabgeordneter heftig kritisiert worden war. Auf eigenes Betreiben war er als parlamentarischer Staatssekretär Mitglied des Senats geworden – und hatte dort die Aufklärung von Vorwürfen gegen Fraunhofer-Präsident Neugebauer vorantreiben wollen.

 

Für Stark-Watzinger, die Sattelberger heute für "seine Ideen, seine Energie und seine langjährige Erfahrung" würdigte, bedeutet sein Rücktritt eine ernste politische Bewährungsprobe. Sie muss zeigen, dass die Bereitschaft des BMBF, sich selbst zu erneuern und gleichzeitig die dringend nötige Modernisierung des Wissenschaftssystems voranzutreiben, auch ohne den umtriebigen Staatssekretär eine Priorität ihres Ministeriums bleibt. Bis zum offiziellen Erhalt seiner Entlassungspapiere bleibt Sattelberger im Amt.

 

Aus Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen war nach Bekanntwerden des Rücktritts viel Bedauern zu hören. "Keine gute Nachricht", twitterte Muriel Helbig, die Präsidentin der Technischen Hochschule Lübeck, die sich für eine neue Transferagentur engagiert hatte. Andere Stimmen sprachen von "einer mittleren Katastrophe", da Sattelberger "einer der wenigen" gewesen sei, "die mit unkonventionellen Ansätzen und ohne Rundschliff durch den Apparat denken, moven und pushen konnten". Der SPD-Forschungspolitiker Holger Mann schrieb: Ein Verlust für die Wissenschaftspolitik und nicht weniger das BMBF. 

Alles Gute, Danke für jahrelange Arbeit und alle Impulse an Thomas Sattelberger."



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Kommentare: 13
  • #1

    Jens Körner (Freitag, 20 Mai 2022 18:40)

    Was für eine Enttäuschung dieser Rückzug von Thomas Sattelberger und völlig unerwartet. Was oder wer hat ihn wirklich aus dem Amt getrieben? Sollte er wirklich ernste gesundheitliche Probleme haben wäre diese Entscheidung vollkommen nachvollziehbar. Dafür beste Genesungswünsche. Andere Gründe sind zum jetzigen Zeitpunkt kaum nachvollziehbar. Er war bis vor wenigen Stunden in seiner Funktion noch voll aktiv!

  • #2

    Forschungsfreak (Samstag, 21 Mai 2022 10:19)

    Auch ich halte gesundheitlichen Gründe für plausibel und wünsche gute Genesung! Wem allerdings die EFI ins Stammbuch schreibt, "Agenturen sind kein Allheilmittel", mit nachgereichter ausführlicher Begründung, was am DATI-Konzept schief ist, und das dann nicht zum Anlass nimmt, innezuhalten und nachzudenken - der mag frischen Wind bringen, ist aber trotzdem beratungsresistent. Dafür dann noch dreistellige Millionenbeträge einzuplanen, die gar nicht so schnell verteilt werden können, schon weil die DATI erst noch geschaffen und aufgebaut werden muss, zeugt auch nicht von Weitsicht. Von daher verbinde ich mit diesem Abschied Hoffnung auf einen verbesserten Neustart. (Wie wenig auch immer meine Meinung zählt.)

  • #3

    Zaungast (Samstag, 21 Mai 2022 11:45)

    Da ist der Falsche zurückgetreten. Für die enttäuschende Arbeit der Agentur SPRIND ist in erster Linie der Geschäftsführer verantwortlich, Rafael Laguna de la Vera. Wenn ein Geldgeber nach drei Jahren eine Evaluation und Neuausrichtung fordert, ist das eine klare Ansage an den Gründungsgeschäftsführer. Sollte dieser weiterhin alle Kritik ignorieren, dürfte sein Ende '22 auslaufender Vertrag kaum verlängert werden.

  • #4

    Thoralf Engster (Samstag, 21 Mai 2022 11:46)

    Vielleicht waren ja die Aversionen gegen den Chef der
    Frauenhofer-Gesellschaft, die ihn zum Rücktritt bewegt
    haben?

  • #5

    Jens Körner (Samstag, 21 Mai 2022 16:46)

    @Thoralf: Da hätte er jetzt als Senatsmitglied eigentlich die Gelegenheit gehabt beim Fraunhofer Chef aufzuräumen. Chance leider vertan! Herrn Prof. Neugebauer wird es freuen. DATI war es also. Na, super - die starken Lobbyisten aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und Politik waren es also, die T. Sattelberger zur Aufgabe gebracht haben. Allerdings hätte ich doch einen stärkeren Durchhaltewillen in diesem Fall erwartet. Wirklich sehr bedauerlich alles.

  • #6

    BW (Sonntag, 22 Mai 2022 09:03)

    Darf es in unserer Leistungsgesellschaft nicht einfach mal wahr sein, dass ein 72-Jähriger vielleicht tatsächlich nicht mehr ein politisches Topamt mit 7-Tage-Kalender und Dauererreichbarkeit stemmen kann und auf seine Gesundheit rücksicht nehmen muss? Evtl. ist die selbst gegebene Begründung für den Rückzug die, die genau so auch stimmt, ganz ohne zusätzliche Faktoren (dunkle Lobbyistenverschwörung im Hintergrund). Dass Herr Sattelberger sein Bundestagsmandat auch mit abgibt, deutet m.E. darauf hin. Habe ihn nicht als jemand kennengelernt, der sich bei Gegenwind zurückzieht, sondern eher als jemanden den das noch mehr antreibt. Journalistisch spannender ist natürlich eine andere Erklärung.

  • #7

    Düsentrieb (Sonntag, 22 Mai 2022 10:35)

    @Körner

    Es war umgekehrt. DATI entstand aus dem Lobbyismus der HAWs, die im ewigen Kampf gegen die Dominanz der Unis ein Prestigeprojekt wollten: Ein Pendant zur DFG. Sattelberger ließ sich vor diesen Karren spannen. Als unabhängige Innovationsexperten heftige Kritik übten, zum Beispiel bei der EFI oder hier im Forum, setzte Sattelberger sich nicht mit deren Gegenargumenten auseinander, sondern kanzelte sie ad hominem ab: Er wünsche sich mehr Experimentierfreude, etc. Bei begründeter Kritik an SPRIND verfuhr er ähnlich. Dann brachte er auch noch seine Parteifreunde gegen sich auf, weil er sich weigerte, im Gegenzug zur Gründung der Agenturen das BMBF zu verkleinern oder auch nur einen der vielen Projektträger abzuwickeln. Für noch mehr Staat und noch mehr Subventionen hat niemand FDP gewählt.

    Ich wünsche TS eine gute Genesung. Und daß er wieder der unabhängige, allseits skeptische und persönlich kritikfähige Charakterkopf wird, der er als Oppositions-MdB war. Künftig eben außerparlamentarisch.

  • #8

    Forschungsfreak (Sonntag, 22 Mai 2022 10:43)

    Wenn die Agentur-Logik stimmt, dass weniger politische Steuerung = besser, dann müsste das doch auch für Fraunhofer gelten - und auch, wenn ein Parlamentarischer Staatssekretär da steuernd eingreifen will?

  • #9

    Hans Sachs (Sonntag, 22 Mai 2022 12:22)

    Es gibt viel Lob von denen, die Herr Sattelberger unterstützt hat. Warten wir ab, ob hier noch einiges an den Tag kommt. So abrupt tritt gewöhnlich niemand zurück.

  • #10

    Armin B. (Mittwoch, 25 Mai 2022 07:32)

    Ich bin auch ein Fan von TS. Gute Besserung und schnelle Genesung!

    Den Staatssekretärsposten fand ich für ihn nicht ideal. Aber es schien mir immer darauf bedacht, das Beste aus dem bisschen Macht und Einfluss, was man ihm anvertraut hatte, machen zu wollen.

    Mir gefällt am ehesten der Gedanke, dass "Nachwuchs"-Politiker (ja, in der Academia ein gefährliches Wort...) als parlamentarische Staatssekretäre sich ihre Sporen verdienen können und wenn - oder besser falls - sie zu Ministerehren kommen, ein Ministerium bereits von innen erlebt haben.
    Verfügt die FDP über so jemanden?
    Die aktuelle Ministerin hätte ich aufgrund ihrer Vitae dafür bestens geeignet gehalten. Aber als Ministerin ist sie mir noch zu wenig aufgefallen.

    TS's Stärken liegen auch in der Rhetorik und in seinem Freigeist, gepaart mit seiner Berufs- und Lebenserfahrung. Als Oppositionspolitiker war er für mich daher eine Wucht. Regierungsverantwortung lähmt eben doch...

  • #11

    Jens Körner (Mittwoch, 25 Mai 2022 18:53)

    Sollte wirklich Christian Lindner und die Mittelsperrung hinten dieser Entscheidung von T. Sattelberger stecken, wäre das Parteiintern ein absolutes „no-Go“. Wenn die FDP das Forschungsministerium für Deutschland anführt muss sich Christian Lindner - auch in der Rolle des Finanzministers - hinter seine FDP-Parteimitgliedern klar stellen. Das wäre die selbstverständliche Loyalität. Es geht gar nicht, dass Herr Linder Herrn Sattelberger in den Rücken fällt. Die Sache wird immer skurriler. Sehr, sehr bedauerlich das Ganze.

  • #12

    Norbert Esser (Sonntag, 29 Mai 2022 07:59)

    Die Schwächen Deutschlands bei Ausgründungen können durch eine Agentur nicht kompensiert werden. Dafür bräuchte es einen "Kulturwandel". Mit DATI sollten die Fachhochschulen gepusht werden. Dagegen stellt sich das Establishment der Universitäten.

  • #13

    hahadi (Montag, 30 Mai 2022 10:37)

    Auch der Arbeitskreis Deutsch als Wissenschaftssprache (www.adawis.de) bedauert den Rückzug Sattelbergers aus dem BMBF außerordentlich. Er war tatsächlich bereit, die "dringend nötige Modernisierung des Wissenschaftssystems voranzutreiben", und zwar auch zugunsten einer mehrsprachigen, statt nur auf "English only" setzenden Realitätsverlust- und bürgernahen Wissenschaftskommunikation und offenbar ohne Bedenken, damit jemandem im BMBF auf die Füße zu treten. Jedenfalls dokumentiert dies ein Diskussionspapier vom 21. Mai 2021, das der ADAWIS zusammen und einvernehmlich mit dem damaligen BT-Ausschuss für Forschung und Technologie erarbeitete und in dem Sattelberger für die FDP maßgeblich mitarbeitete.