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Zwischen "#SchnellerImpact", "Altlasten" und dem Warten auf eine neue Zukunftsstrategie

Warum das BMBF in der Spardebatte so ziel- und strategielos wirkte: eine Analyse.

SO CATCHY der Hashtag "#SchnellerImpact" war, die Zielrichtung der im Bundesforschungsministerium verfolgten Sparmaßnahmen hat er nie richtig dargestellt. Ja, es waren und sind viele Forschungsprojekte aus den Geistes- und Sozialwissenschaften von Streichungen und Kürzungen betroffen. Aber wenige davon dienen der Grundlagenforschung, viele bieten einen praktischen Mehrwert für die Gesellschaft und teilweise auch für die Wirtschaft. Oder hätten ihn geboten, denn auch jede Anschlussförderung, die versagt wird, bedeutet einen schlechteren Transfer der Ergebnisse aus dem Kreis der Forschenden heraus. 

 

Treffender ist da schon die Feststellung, dass derzeit keiner genau sagen kann, worin die Logik und Strategie der vorgenommenen oder geplanten Kürzungen besteht. Offenbar auch die Hausleitung im BMBF nicht, sonst wäre ihr die Kommunikation darüber nicht so verunglückt.

 

Dass Förderzusagen zunächst völlig überraschend gestoppt und dann über Wochen verzögert wurden – ohne Angabe, wie lange die Hängepartie dauern würde –, zeigt, dass im Ministerium der Informationsfluss gestört war. Hatte es zunächst von oben lediglich die Anordnung gegeben, bestimmte Beträge einzusparen? Ging der inhaltliche Meinungsbildungsprozess der Hausleitung erst los, als die ersten Beschwerden von betroffenen Forschenden aufliefen?

 

So zumindest wäre zu erklären, dass Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in ihrem Pressestatement am Montag herausstellte: Es sei gelungen, die Förderung der Projekte im sozial- und geisteswissenschaftlichen Bereich "in reduziertem Umfang" ab 2023 sicherzustellen. Fest steht: Das Gelingen seit Mitte Juni bestand nicht darin, zusätzliches Geld beim Finanzminister lockerzumachen. Offenbar ging es darum (so berichten es auch Ministeriumsmitarbeiter), sich zunächst einen Überblick über die in den einzelnen BMBF-Abteilungen geplanten Streichungen zu verschaffen, um dann haus- und förderlinienintern umzuschichten. Entsprechend lückenhaft, intransparent und von einem Hin (Zusagen auf Halt) und Her (die Mehrheit der Projekte werden doch gefördert) geprägt waren die öffentlichen Verlautbarungen der vergangenen Wochen.

 

Der Eindruck, vor allem die Geistes- und
Sozialwissenschaften müssten bluten, trügt

 

Doch auch der Eindruck, es seien vor allem die Geistes- und Sozialwissenschaften, die bluten müssen, trügt. Vielleicht sind sie kommunikativ nur besonders gut organisiert. Die ökologische Forschung ist jedenfalls genauso betroffen durch die vorzeitige Einstellung der BioTip-Förderlinie. Deutliche Kürzungen oder versagte Anschlussfinanzierungen gab es zuvor schon zum Beispiel in teilweise seit langem laufenden Klimaforschungsprojekten. Und gerade erst hat der Direktor der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur die Befürchtung geäußert, dass der NFDI nächstes Jahr der gesamte geplante Aufwuchs von bis zu 25 Millionen Euro weggekürzt werden könnte.

 

Darüber hinaus zeigt ausgerechnet der kommunikative Umgang mit einem vermeintlichen "Impact"-Flaggschiff wie den "Zukunftsclustern", dass es bei der Priorisierung oder Depriorisierung von Forschungsprojekten und -programmen durch die BMBF-Hausleitung nicht vorrangig um deren disziplinären Schwerpunkt oder Anwendungsnähe geht. Über 300 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren an die sieben vor wenigen Tagen ausgewählten Gewinnerregionen der zweiten Runde gehen, zur Förderung von Pioniergeist, Wissenschaft-Wirtschaft-Kooperationen und Ausgründungen. Trotzdem war das dem Ministerium keine Pressekonferenz wert. Lediglich eine uninspirierte Pressemeldung – während die BMBF-Kommunikation etwa das Thema "grüner Wasserstoff" wiederholt und auffallend großflächig abfeiert.

 

Tatsächlich hätten Stark-Watzinger und ihre Staatssekretäre die vielen Millionen lieber schon viel früher für die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) eingesetzt, in deren Haushaltstitel sie die "Zukunftscluster" bereits verschoben haben, ohne praktische Auswirkungen für deren Förderung freilich.

 

Mit geerbten Projekten kann
man sich nicht profilieren

 

Hier scheinen sie dann doch durch, eine Logik und Strategie hinter den Haushaltsentscheidungen der letzten Zeit. Sie steckten auch in dem Wort von den "Altlasten", das Stark-Watzinger gegenüber dem ZDF bezogen auf die Anschlussfinanzierung bestehender Projekte benutzte: Vieles von dem, was die neue BMBF-Chefetage von ihren Vorgängern geerbt hat, betrachtet sie mit dem Hintergedanken, dass sich hier womöglich etwas einsparen ließe zugunsten eigener, neuer Projekte. Was politisch durchaus nachvollziehbar ist angesichts des knappen Spielraums, der ihr überhaupt dadurch bleibt, dass große Teile des BMBF-Haushalts langfristig festgelegt sind. Übernommene Projekte und Förderlinien sind da, so sinnvoll sie sein mögen, zunächst einmal kostenintensiv, ohne Möglichkeiten zur eigenen Profilierung, zum Aufzeigen der eigenen Handlungsfähigkeit zu bieten. Und an Neuem, an Ambitioniertem und Überfälligen hat die Ampel sich viel vorgenommen – und zu finanzieren.

 

Hinzu kommt etwas Zweites: Die Ampel-Parteien haben eine neue "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation" angekündigt, mit der laut BMBF "die Ziele, Meilensteine und Prioritäten in der Forschungs- und Innovationspolitik der Bundesregierung definiert werden sollen". Das Ministerium von Stark-Watzinger ist dabei federführend, die Erarbeitung noch nicht abgeschlossen. Bis aber die Zukunftsstrategie durch die Ampel-Partner besiegelt und veröffentlich ist, kann das BMBF seine Förderpolitik nicht offensiv und kongruent erläutern – eben weil sie noch nicht abschließend feststeht. Das ist sicher ein Dilemma. Doch auch das lässt sich mit Offenheit kommunikativ besser lösen.



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Kommentare: 1
  • #1

    Theo Schuster (Freitag, 29 Juli 2022 11:21)

    Man sollte so ehrlich sein und rechtzeitig sagen, daß die
    von vielen für die nächste Exzellenz-Initiative geplanten
    Mittel ebenfalls auf die Streichliste kommen. Wenn man sich an der eigenen Universität anschaut, wie hier wieder die
    geistigen und personellen Ressourcen für irgendwelche
    Cluster-Planungen verbraucht werden, wird einem Angst und Bange.