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Und zack

Bis die Online-Antragsplattform an den Start ging, war die Umsetzung der 200-Euro-Hilfe für Studierende und Fachschüler ein einzigartiges politisches Gewürge. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen – und macht Hoffnung.

DER ERFOLG hat wie immer viele Väter und Mütter. Den früheren Chef der Piratenpartei und jetzigen FDP-Politiker Bernd Schlömer zum Beispiel, der Staatssekretär im Ministerium für Infrastruktur und Digitales von Sachsen-Anhalt ist. Nach sieben Tagen Wirkbetrieb "sind wir mit der Lösung einer von uns in fachlicher Verantwortung erstellten Plattform für die #Einmalzahlung einer Energiepreispauschale für etwa 3,5 Mio Student:innen und Fachschüler:innen sehr sehr zufrieden", schrieb er am Dienstag auf LinkedIn.

 

Dann ist da Markus Richter, Beauftragter der Bundesregierung für Informationstechnik oder kurz "CIO", der Anfang der Woche ebenfalls die Plattform-Performance pries – als Beispiel dafür, dass der Start seine Verpflichtung aus dem Onlinezugangsgesetz nachkomme. "Die #BundID ist dafür eines der weltweit besten und sichersten Zugänge", twitterte Richter. "Schon über 1 Mio. Menschen mit BundID-Konto."

 

Am zufriedensten – ja, erleichtertsten – dürfte freilich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sein, die im Gegensatz zu Schlömer, dessen Chefin Lydia Hüskens oder "Bundes-CIO" Richter wegen der versprochenen 200-Euro-Einmalzahlung monatelang im Sturm stand. Zuerst hatte sie angekündigt, das Geld werde "Anfang Januar" an die Berechtigten fließen, dann noch "in diesem Winter".

 

Letzteres, das steht jetzt fest, hat zumindest für einen substanziellen Anteil der Auszahlungen hingehauen: Am Tag des Frühlingsanfangs wurde die 1-Million-Marke bei den bewilligten Anträgen erreicht, zwei Drittel davon waren ausgezahlt, durchschnittliche Dauer zwischen Antrag und Bewilligung erstaunliche fünf Stunden. Tatsächlich vergehen in vielen Fällen sogar nur wenige Minuten. Das automatisierte Verfahren sorge dafür, dass das Geld zügig auf dem Konto der jungen Menschen lande, schrieb Stark-Watzinger. "Echte Pionierarbeit" sei das. "Die gestiegenen Energiepreise sind schließlich eine besondere Herausforderung."

 

Eine Million Bewilligungen
in sechs Tagen

 

Wie groß ihre Genugtuung gewesen sein muss, ist schon am Zeitpunkt ihres Twitter-Kommentars zu sehen. Die Ministerin setzte ihn an Tag 2 der bundesweiten Antragsphase ab, am 16. März – sobald man erstmals absehen konnte, dass die Plattform ein technischer Erfolg werden würde. Während übrigens zur selben Zeit die BundID-Beantragung – im Gegensatz zum vollmundigen Selbstlob des hierfür zuständigen Markus Richter, noch ordentlich holperte. Denn bis sie zur Beantragung der 200 Euro quasi verpflichtend wurde, hatte den weltbesten OZG-Zugang fast kein Bürger haben wollen. Weshalb die Pauschale auch für die BundID zum zunächst nur mittelmäßig bestandenen Bewährungstest wurde.

 

Was die 200-Euro-Plattform angeht, so ist deren Statistik auch nach einer Woche Antragsphase nur als beeindruckend zu bezeichnen. 1,3 Millionen Anträge. Fast 1,2 Millionen Bewilligungen. 238 Millionen ausgezahlter Gelder. In Echtzeit gemessen und regelmäßig transparent ausgewiesen direkt auf der Website. Das können Sachsen-Anhalt und das BMBF, das können vor allem auch BMBF-Chefin Stark-Watzinger und ihr im Hintergrund wirbelnder parlamentarischer Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP) als ihren Verdienst reklamieren. 

 

Und doch macht dieses Happy End das Gezerre zuvor nicht ungeschehen. Nicht die zwei Monate Verzögerung zwischen dem Beschluss der 200-Euro-Zahlung im Ampel-Koalitionsausschuss und dem Eklat in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) Anfang November, als Stark-Watzinger eingestehen musste, dass ihr Ministerium noch keine Lösung für die Auszahlung gefunden hatte. Zahlreiche Wissenschaftsminister hatten den Eindruck, sie wolle ihnen plötzlich die Misere mit Hinweis auf die Verfassungslage rüberschieben. Zwar vereinbarte man dann die Einrichtung einer Online-Plattform, doch auch über die Modalitäten und Zuständigkeiten dahinter wurde so heftig gestritten, dass die Länder noch im Dezember drohten, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Währenddessen hatte sich Sachsen-Anhalt, das schon bei der Digitalisierung der Bafög-Beantragung federführende Land, auf Bitten des Bundes und der übrigen Länder an die Arbeit gemacht. Und hat geliefert. 

 

Das Porzellan, das zwischen BMBF und Landeswissenschaftsministern zerschlagen worden ist, wird dadurch nicht auf einmal wieder heil. Auch die Tatsache, dass die Studierenden über ein halbes Jahr auf ihre "Soforthilfe" warten mussten, ändert die funktionierende Plattform nicht. Zudem kritisieren Studierendenverbände, die Antragsberechtigten müssten zum Boostern der bis dato gescheiterten BundID herhalten.

 

Fest steht aber auch: Die Plattform leistet mehr als nur die überfällige Auszahlung der rund 700 Millionen Euro. Es ist ein technisch elegantes Verfahren entstanden, das auch für künftige Einsätze bereitsteht. Denn ob für Schüler, Studierende oder ganz andere Betroffenengruppen: Erstmals hat der Bund jetzt eine direkte Auszahlungsmöglichkeit für krisenbedingte Hilfszahlungen. Fast noch wichtiger: Der späte 200-Euro-Erfolg macht Hoffnung, dass in Deutschland  die Digitalisierung der Verwaltung auch einmal gelingen kann. Das ist für Nicht-Studierende die eigentlich gute Nachricht.


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Kommentare: 4
  • #1

    Elisabeth (Mittwoch, 22 März 2023 16:43)

    Lob wem Lob gebührt. Ich hätte gerne auch etwas darüber gelesen, welcher Aufwand den Hochschulen (insb. den nicht so großen) in den Studierendenverwaltungen entstanden ist. Er war nicht unerheblich.

  • #2

    EmCe² (Donnerstag, 23 März 2023 09:11)

    Eine gute Beschreibung des Sachstandes, der endlich mal eine - den vor allen anfänglich durch EPPSG-Bashing bestimmte - Berichterstattung ermöglicht. Die Zahlen sprechen für sich, völlig unabhängig, was man vom EPPSG bzw. seiner Historie bis heute hält, das Verfahren tut das, was es soll. Anträge hochautomatisiert und schnell bearbeiten, Geld auszahlen...

    Was man dabei jedoch meiner Ansicht nach nicht aus den Augen verlieren sollte...
    1. ("Elisabeth" hatte es bereits skizziert) Welche Aufwände, die in den jeweiligen Landesministerien, in den "zuständigen Stellen" sowie den angebundenen Bildungseinrichtungen entstanden sind, ist nicht bezifferbar. Von vornherein war klar, dass diese auch in keiner Art ausgeglichen / bezahlt würden. Aber die Arbeit hat sich nun mal nicht von allein gemacht. In der Zeit, in der man sich als Verantwortlicher bspw. in einem Studierendensekretariat einer Hochschule mit diesem Thema, offenen Fragen in Richtung Ministerium, unterschiedlichsten Terminen bis hin zu technischen Tests zur Verteilung von Code & Pin etc. beschäftigen durfte, hat man nichts Anderes gemacht. Andere Themen mussten, dem dann kurzfristig mit Zeit- und anderem Druck bevorstehenden EPPSG, weichen.
    2. Aus Sicht der Tagespresse bestand der Vormittag des 15.3. sicher in Teilen daraus, die EPPSG bzw. BundID Seite solange per F5 zu aktualisieren, bis man endlich seinen ersehnten "Seite nicht erreichbar"-Screenshot machen konnte um diesen für seinen "Hau-drauf-Bericht" nutzen zu können. Das wird zum einen weder dem Verfahren gerecht, noch war es in irgendeiner Form realistisch, dass dies nicht passieren würde. Wenn man den über 3.000.000 Antragsberechtigten über Wochen und Monate sagt: "am 15.3. gehts los". Was erwartet man? In jedem Vorab-Bericht, auf jeder Hochschulinternetseite, in jedem SocialMediaPost... an jeder Stelle wurde die Zielgruppe zusätzlich angeheizt: Du musst am 15. dabei sein. Völlig egal, welche SiliconValley-Serverlandschaft das BMBF zur Verfügung gestellt hätte. Es wäre genau so geschehen, wie jetzt. Und ich selbst halte - das mag man für zu hart oder unfair halten - eine derart geringfügige Verzögerung von "Sie müssen noch 34 Minuten im Warteraum verbleiben" auch angesichts der EPPSG-Historie für keine außerirdische Herausforderung. Man steht auch ansonsten 2 Stunden an für schnell vergriffene Angebote im Einzelhandel, steht eine Stunde in der Infektionssprechstunde seines Hausarztes (draußen!) oder campiert - sein iPhone 14 im Rucksack - vor dem Ticketshop bevor ein einzigartiges Festival den Verkauf startet. Da wird man 20 Minuten vor dem PC wohl noch aushalten können...
    (jetzt wieder sachlich weiter...)
    3. Die seit langer Zeit prognostizierte Not bei den Studierenden (und anderen Antragsberechtigten) scheint jedoch nicht so hoch und dringlich, wie die Presse es gerne gesehen hätte. Mit Stand von heute früh haben bisang nur 41% der Zielgruppe einen Antrag gestellt. Ich denke, dass bei den nunmehr ohne weiteres erreichbaren Servern und dem sonstigen Antragsgeschehen keiner mehr technisch davon abgehalten wäre, seinen Antrag zu stellen. Also wo bleiben die restlichen 2.000.000 Anträge, der Personengruppe die ansonsten gerne über Kurzmitteilungsdienste brüllt, wie dringend sie auf das Geld angewiesen seien?
    4. Die Auszahlungsgeschwindigkeit ist imposant. Wenn man sich jedoch vor Augen führt, dass in der Regel (und damit dem großen Massengeschäft) ein Server - ohne dass je ein Mensch diesen konkreten Antrag zu Gesicht bekommen hätte! - diese Anträge aufgrund simpler Wenn-Dann-Logiken einfach durchwinkt, relativiert sich das große Erstaunen. Die eigentliche Datenlieferung bzw. Entscheidung über Antragsberechtigung trafen nicht die zuständigen Stellen oder "das EPPSG". Nein, die Antragsberechtigung selbst übernahm bereits die Ausbildungsstätte - durch die Lieferung der konkreten Daten. Die Server-Logiken des EPPSG vergleichen einzig, hochautomatisiert die Angaben aus der BundID Registrierung und den Daten der Ausbildungsstätte. Bei Deckungsgleichheit oder auch nur geringfügiger Unterschiede wird "ohne großes Nachdenken oder Hinterfragen" bewilligt und ausgezahlt. Dafür sind "Stunden" schon viel zu lang, da sollte es vielmehr um Sekunden gehen. Der Schnitt wird aller Voraussicht nach nur durch die Fälle nach unten gezogen, die erst durch eine händische Prüfung der "zuständigen Stelle" bewilligt werden konnten. Dabei wird es sich hauptsächlich um Namensänderungen durch Hochzeit, Scheidung, eingedeutschte Namen, Geschlechterwechsel oder sonstige Fälle handeln. Die anderen (nicht überprüfbaren!) Angaben, die eine Antragsberechtigung ausmachen wie etwa die Angaben zum Wohn- bzw. Aufenthaltsort, geben die Antragsteller durch ein Kreuz bei "Ja, ich bestätige..." an. Die Hochschulen liefern dazu keine Daten, die Stellen können und prüfen nicht - also welche andere Antwort als "Ja, ich bestätige..." erwartet man bzw. der Gesetzgeber?!
    ...

  • #3

    EmCe² (Donnerstag, 23 März 2023 09:13)

    Teil 2:
    5. Ich bin gespannt, ob und wenn ja wann man aus dem BMBF erfährt, über welchen Zugangsweg (geeint ist die BundID-Registrierung) neue Logins seit März 2023 erfolgten. Von dem was man hört, macht insbesondere die Variante "elektronischer Personalausweis" hier Probleme. Meiner Vermutung nach hat der überwiegende Teil die unsicherste Variante Email & Passwort (zusammen mit der von der Hochschule erhaltenen PIN!) genutzt. Weil es schnell und unkompliziert ist und - weil es oh Wunder funktioniert. Das ist genau das, was ein Großteil der Hochschulen und auch Landesvertreter bereits vorher prognostiziert haben. Das BMBF hat bis der Druck immer größer wurde die Variante 4 (Code und Pin) auf der EPPSG sehr stiefmütterlich beschrieben - würde man etwas unterstellen wollen, könnte man auch böse sagen: Die PIN Variante wurde mit voller Absicht unterschlagen, möglichst wenig bis gar nicht beschrieben / beworben. Das hat sich nach dem Druck (auf vielfachen Wunsch der Hochschulen ans Land und vorn dort aus an den Bund) mittlerweile geändert. Dennoch war alleine schon das anfängliche Vorhaben inhaltlich falsch und technisch ebenso fragwürdig. Wir gehören zu denjenigen Hochschulen - die mit Freigabe durch das Land - bereits zum Start jedem Antragsberechtigten Code & PIN ausgehändigt haben. Unsere vorherige Annahme hat sich bewahrheitet. Wir verzeichnen bislang weniger als 2% Supportfälle unter den Antragsberechtigten. Im durch das BMBF bzw. die beauftragte Firma [init] kommunizierten Leitfaden war dahingehend die Empfehlung: PIN nur auf individuelle Nachfrage aushändigen und mit 14 Tage Verzögerung nach dem Code. Dazu kann man sich leider nur kopfschüttelnd fragen, wie dann unser Tagesgeschäft ausgesehen hätte... Haben wir nicht gemacht, war auch gut so.

    6. Meiner Wahrnehmung und dem Großteil der Berichte nach war im Zuge der Antragstellung vielmehr die Seite der BundID die Schwachstelle, nicht die neue EPPSG-Antragsseite. Das diese letztlich aufgrund der Massen an Klicks in kurzer Zeit faktisch einen Warteraum aufmacht, war durchaus nachvollziehbar. Dass aber die BundID (sowohl per Elster als auch per eID-Perso.) faktisch nicht geht, es Fehlermeldungen und Zertifikatsabbrüche etc. gibt - das ist mehr als unschön. Und da kann man es weder den Hochschulkolleg*innen noch (und das viel mehr) den Landesvertretungen verübeln, wenn man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. War es nicht die BMBF-Chefin, die noch vollmundig und pressewirksam verkündete, der Bund hätte "seine Hausaufgaben gemacht", jetzt seien die Länder dran? Tja, ...das war wohl nichts.

    Aus Sicht eines Hochschul-Studierendensekretariates kommt man nach den vergangenen Wochen jetzt - was dieses Thema angeht - zum Durchatmen. Letztlich ist es, neben einer verschwindend geringen Zahl an Nachfragen dazu, nahezu ein Selbstläufer. Gedankt hat es einem keiner. Aber wären wir auf Dank oder Anerkennung angewiesen, würden wir nicht im öffentlichen Dienst tätig sein :-)

    Man darf gespannt sein, welches Thema uns nächstes solche Schweißperlen auf die Stirn treibt. Am Horizont machen sich schon einige Themen zum Wettrennen bereit: grundsätzliche Anbindung der BundID an die Hochschulcampusmanagementsysteme (bspw. bei der Bewerbung um einen Studienplatz), Anbindung von ePayment (so dass es Bewerbern & Studierenden ermöglicht werden könnte, per Lastschrift / GiroPay / Visa- / Mastercard oder auch Paypal zu bezahlen), Pläne des Stiftung für Hochschulzulassung (zum einen zur Integration der Mehrfach-/Lehramtsstudiengänge in das DOSV oder auch zum anderen die Pläne zum DOSV 2.0), der 2. Anlauf des DIGIZ-Vorhabens (um künftig digitale Abi-Zeugnisse für Bewerbungen an deutschen Hochschulen zu nutzen) und und und... wer hat gesagt, 2023 würde langweilig werden? Lieber Herr Wiarda, es gibt noch viel zu schreiben.

    Beste Grüße
    EmCe²

  • #4

    TP (Freitag, 24 März 2023 11:28)


    Bei aller "Freude" über das Funktionieren der Plattform finde ich spannend, dass bislang kaum Diskussionen über die "Prüfung der Berechtigung" zu lesen/ zu hören war: Trotz entsprechender Hinweise, dass das Verfahren perfekt geeignet ist für "Ticketstudierende", die doppelt kassieren (einmal als Arbeitnehmer über ihren Job) und einmal als engagierte Studierende der Physik oder Archäologie gab es keinerlei Ansatz, hier einen Prüfmechanismus einzubauen. Im Gegenteil: Wenn mensch darauf hinwies, dass hier gerade die "gut bezahlten" Akademiker (die primär des Tickets einem Zweitstudium nachgehen) ein zweites Mal kassieren, kam nur der Hinweis, dass man das nicht zu laut sagen mögen und dass dies das BMBF im Grunde auch nicht interessiert.

    Im Ergebnis ist also die schnelle Auszahlung vor allem darin begründet, dass faktisch der Antrag gar nicht geprüft wird, sondern das die Hochschulen einfach nur eine Liste der Studierenden an die entsprechenden Stellen leiten - und diese dann nach entsprechender Registrierung das Geld ohne irgendeine Prüfung ausgezahlt bekommen.