Exzellenz-Spagat
Während sich Länder mit Exzellenzuni-Bewerbungen schmücken, kürzen sie gleichzeitig ihre Hochschulbudgets.

Bild: OpenClipart-Vectors / Pixabay.
VON EINER "PREMIERE" sprach Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) vergangene Woche im Landtag. Insgesamt vier hessische Universitäten würden sich um den Status der Exzellenzuniversität bewerben, in zwei Verbünden. Frankfurt und Darmstadt als Teil der Allianz der Rhein-Main-Universitäten mit der Uni Mainz, und Marburg zusammen mit Gießen. "Hessen ist zurück auf der Landkarte der Forschungsexzellenz", jubilierte Gremmels.
Ob er sich selbst dabei ein wenig widersprüchlich vorgekommen ist? Wenige Tage zuvor musste er jedenfalls öffentlich erklären: "Wir müssen aufgrund der zurückgehenden Steuereinnahmen Kürzungen vornehmen." Die Hochschulen befürchten ein Minus in Höhe von einer Milliarde Euro in den kommenden sechs Jahren und einen Abbau von jeder zehnten Stelle. Das sei das "Worst-Case-Szenario", beschwichtigte der Minister im Hessischen Rundfunk, über Höhe und Umfang der Einsparungen werde noch verhandelt.
Wie in Hessen, wenn auch nicht überall so extrem, ergeht es derweil den Hochschulen in vielen Bundesländern. Tatsächlich ist es immer wieder erstaunlich, wie Spitzenpolitiker aller Couleur gerade in der Krise die besondere Bedeutung von Wissenschaft und Hochschulen für die Zukunft beschwören, um sie beim Sparen dann doch wieder wie alle anderen Politikbereiche zu behandeln. Was die zuletzt etwas abebbende Debatte um Deutschlands angebliche Attraktivität als Zufluchtsort amerikanischer und internationaler "Spitzenforscher" auf drastische Weise einordnet.
Klagen, Kürzungen, Kommunikationslücken
Besonders bitter ist das aktuell für all jene Universitäten, die, ausgestattet mit genügend Exzellenzclustern, bis vergangenen Freitag beim Wissenschaftsrat ihre Exzellenzuni-Bewerbung anmelden sollten (Zeitplan der ExStra siehe hier). Und nicht weniger für die Universitäten, die ihren vor sechs Jahren errungenen Exzellenzstatus verteidigen müssen. Die Freie Universität Berlin etwa will als Teil der "Berlin University Alliance" (BUA) den Titel verteidigen, doch statt Glanz und Gloria verbreitete sie in der vergangenen Woche Lückentexte: Man wolle anlässlich der "Aktionswoche gegen Kürzungen in der Berliner Wissenschaft" in der öffentlichen Kommunikation bewusst auf den Buchstaben "E" verzichten – "als Symbol für das, was fehlt, wenn an der Substanz gespart wird". Allein in diesem Jahr sollen die Berliner Hochschulen 145 Millionen Euro einsparen, und es könnte noch schlimmer kommen.
Skurril ist die Strategie der Berliner Hochschulen um ihre seit Monaten diskutierte Klage gegen den Berliner Senat, der mit den Kürzungen die abgeschlossenen Hochschulverträge breche. Bereits im November 2024 hieß es, man prüfe rechtliche Schritte. Im Februar setzte die TU Berlin der Senatsverwaltung eine Frist bis März, sonst werde man "auf Leistungserfüllung" klagen. Drei weitere Monate vergingen. Vergangene Woche teilte schließlich die Landesrektorenkonferenz mit, viele Hochschulen hätten sich einer Klagegemeinschaft angeschlossen "und bereiten gemeinsam eine mögliche Klage" vor. Leerer kann eine Drohung kaum sein.
Kein Wunder, eine solche Klage würde sich hinziehen – und wie sähe es aus, wenn BUA und Wissenschaftssenatorin im Exzellenz-Bewerbungsgespräch beim Wissenschaftsrat auf Eintracht machen würden, während sie juristisch im Clinch liegen? Da ist sie wieder, die Widersprüchlichkeit der deutschen Hochschulpolitik zwischen Exzellenzrhetorik und real existierender Breitenkürzung.
Ob in Hessen, Berlin oder anderswo: Die Exzellenzstrategie-Gutachter, so viel ist sicher, werden beides sehr wohl miteinander zu betrachten wissen.
Kommentare
#1 - Kürzungswahn
Dabei wäre es einfach: die Förderung der Exzellenzcluster und - Universitäten müsste an die Bedingung geknüpft werden, dass nicht gleichzeitig Landesmittel gekürzt werden dürfen. So ist es doch einfach zu erklären: die Länder nutzen den Bundesgeldsegen, um ihre eigene Kürzungspolitik durchzusetzen. Sonntagsreden nicht ausgeschlossen darüber , wie wichtig Bildung und Wissenschaft sind. Kleine finanzschwache Bundesländer sind dann doppelt im Nachteil - wenig Exzellenz und gleichzeitig Spardruck.
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