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Es kann losgehen

Der Haushaltsausschuss des Bundestages gibt das KI-Programm für die Hochschulbildung frei. Die Ausschreibung dürfte in Kürze starten. Doch den Druck aufs BMBF behalten die Abgeordneten bei.

SEIT NOVEMBER LAG ES auf Eis: das Bund-Länderprogramm "KI in der Hochschulbildung". 120 Bundesmillionen, ergänzt um weitere 12 Millionen aus den Landeshaushalten, um die Hochschullehre zu modernisieren. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im Spätherbst verfügt, dass die erste Tranche davon erst freigeben wird, wenn das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ihm ein Konzept vorgelegt hat. Zuvor hatte er sich von Karliczeks Haus allzu sehr ignoriert gefühlt: Das BMBF sei mehreren Aufforderungen, beim Thema KI-Vereinbarung inhaltlich Aufklärung zu schaffen, nicht nachgekommen, beklagten sich Abgeordnete.

 

Die letzte Gelegenheit, den Ausschuss zu besänftigen und die Mittel loszueisen, hatte das Ministerium vor drei Wochen knapp verpasst. Gestern endlich hat es geklappt: Die Parlamentarier nahmen den BMBF-Bericht zur Kenntnis und entfernten ihre Sperre des gesamten Haushaltstitels "Digitalisierung im Hochschul- und Wissenschaftssystem" – allerdings mit Auflagen. Doch für die Hochschulen ist es eine gute Nachricht. Das KI-Programm kann starten. 



Über das Programm soll erstens "KI als Studieninhalt" implementiert werden und zweitens die "Qualität, Leistungsfähigkeit und Wirksamkeit" der Hochschullehre insgesamt verbessert werden. Hochschulen können sich mit einem Einzelantrag oder mit anderen Hochschulen im Verbund bewerben. Über die Anträge wird dann in einem wissenschaftsgeleiteten Auswahlverfahren entschieden. Pro Einzelantrag gibt es bis zu zwei Millionen Euro, für Verbundanträge bis zu fünf Millionen. 

 

Die Förderbekanntmachung hatte das BMBF für "Anfang 2021" versprochen, entsprechend wird es sich jetzt hoffentlich sputen.

 

Die Haushaltspolitiker wollen es
jetzt ganz genau wissen

 

Die vom Haushaltsausschuss beschlossenen Auflagen erhalten den Druck auf das Ministerium indes aufrecht. Die Parlamentarier verlangen vom BMBF bis zu den nächsten Haushaltsberatungen umfassende Informationen "über Zielvorgaben der einzelnen Förderprogramme und die jeweiligen Meilensteine der KI-Strategie". Auch wollen die Haushaltspolitiker genau wissen, "wie insbesondere die verschiedenen Förderprogramme für die Standorte KI-Campus, in der Hochschulbildung und Hochschullehre durch Digitalisierung aufeinander abgestimmt... und wie Erkenntnisse für alle Hochschulen nutzbar gemacht werden sollen".

 

Noch kurzfristiger erwartet der Haushaltsausschuss einen "Überblick der seit 2020 neu etablierten Digital-Angebote, neuer Plattformen und von Best-Practice-Beispielen von Hochschulen im Hinblick auf den Wegfall des Präsenzstudiums in der Pandemie", aufgeschlüsselt nach Bundesländern, und außerdem eine Zusammenstellung der initiierten bildungspolitischen Begleitforschung. Als Frist hat der Ausschuss dem BMBF bereits den 23. April gesetzt. 

 

Die Auflagen sind in mehrfacher Hinsicht pikant. Erstens weil sie erneut mit der Mehrheit der Großen Koalition, also inklusive Karliczeks eigenem politischen Lager, beschlossen wurden. Zweitens weil die Haushaltspolitiker erstaunlich stark in die bildungspolitischen Inhalte einsteigen – was die zuletzt schon spürbare Irritation bei ihren Kollegen im Bildungsausschuss verstärken dürfte – als wilderten die Haushälter in ihrem Zuständigkeitsfeld. Drittens weil die Formulierung der Auflagen zeigt, dass sich der Ausschuss  mit dem gelieferten Bericht (einer recht global gehaltenen strategischen Übersicht plus einer Kopie der Verwaltungsvereinbarung zum KI-Programm) vom BMBF zu billig abgespeist gefühlt hat. Und viertens weil es im Haushaltsausschuss offenbar Zweifel an der Stimmigkeit der einzelnen Elemente von Karliczeks KI-Strategie gibt.

 

Seit Jahren zunehmend
schlechte Beziehungen

 

Tatsächlich geht es sogar um viel mehr als nur die KI-Strategie. Die Beziehungen zwischen den Haushaltspolitikern und Karliczeks Ministerium haben sich in den vergangenen Jahren Stück für Stück verschlechtert. Seit Jahren schon kritisieren Bundestagsabgeordnete auch der Regierungsfraktionen, dass die Bundesregierung das Parlament über den Stand laufender Bund-Länder-Verhandlungen immer wieder nur unzureichend informiere und auf dieser Basis millionen- oder gar milliardenschwere Abkommen mit den Ländern abschließe. Für die der Bundestag dann aber anschließend die Haushaltstitel bewilligen solle. 

 

Nach kritischen Berichten des Bundesrechnungshofs – und gegen den Widerstand des BMBF – sperrte der Haushaltsausschuss seit Jahren wiederkehrend Teile der Betriebsmittel der Helmholtz-Zentren und gab sie jeweils erst frei, nachdem die Forschungseinrichtungen genug der ihnen zur Verfügung stehenden Gelder ausgegeben hatten. Auch Mittel aus dem auslaufenden Hochschulpakt legte der Ausschuss im vergangenen Herbst auf Eis. 

 

Weil gerade im Bildungsbereich die Zuständigkeiten höchstens formal klar, in der Finanzierungspraxis der Bund-Länder-Vereinbarungen aber oft ineinanderliefen, stehe die Bundesregierung umso stärker in der Pflicht, transparent zu handeln, sagte die grüne Haushaltspolitikerin Ekin Deligöz bereits im Januar und bezeichnete die jetzt zurückgenommene KI-Sperre als Nadelstich und als  Signal: "Wir lassen uns nicht mehr von euch durch unzureichende Informationen an der Nase herumführen." Zugleich sei sie eine Ansage: "Wenn ihr euer Verhalten nicht ändert, kann euch das künftig öfter passieren."

 

So hatte der Haushaltsausschuss Ende November zusätzlich einen Grundsatzbeschluss gefasst, der Karliczeks Ministerium künftig enger an die Leine nimmt. Der Ausschuss erwarte, heißt es darin wörtlich, "dass ihm die Bundesregierung bei künftigen Bund-Länder-Verhandlungen vor Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung Gelegenheit zur Stellungnahme gibt." Und: Ohne eine angemessene Information und Beteiligung des Haushaltsausschusses wird er keine Mittel für Bund-Länder-Vereinbarungen mehr freigeben."

 

Es bleibt ruckelig zwischen BMBF und Haushaltsausschuss.


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