Die Exzellenz ist müde
Die Exzellenzstrategie war ein Versprechen auf Wettbewerb und Aufbruch. Heute ist ihr Ende wissenschaftspolitisch absehbar. Doch was könnte, was sollte danach kommen?
Symbolbild: freepik.
AUF DEN ERSTEN BLICK klang es überraschend radikal, was ein konservativer Wissenschaftspolitiker da formulierte: "Die Exzellenzstrategie hat sich überlebt", sagte der bayerische CSU-Abgeordnete Robert Brannekämper, langjähriger Vorsitzender des Landtagsausschusses für Wissenschaft und Kunst, neulich hier im Wiarda-Blog.
Auf den zweiten Blick wirkte Brannekämpers Diagnose weniger abwegig. In Hintergrundgesprächen mit Wissenschaftsministerinnen, Staatssekretären und hohen Beamtinnen hört man sie in Varianten immer häufiger – mal offener, mal hinter vorgehaltener Hand. Kaum jemand plädiert noch mit echter Begeisterung für eine Fortsetzung des Wettbewerbs. Und noch weniger glauben daran, dass die ExStra eine Zukunft hat, die über die laufende Vergaberunde hinausreicht.
Im Frühjahr ließ bereits ein Passus im schwarz-roten Koalitionsvertrag aufhorchen. Die Exzellenzstrategie solle "in den Förderlinien Exzellenzcluster und Exzellenzuniversitäten für eine mögliche Förderperiode ab 2030 grundlegend evaluiert" werden.
Nicht nur bedeutete das ein Vorziehen der Evaluation auf einen Zeitpunkt, zu dem sich über die Wirkungen der letzten ExStra-Reform noch gar nichts aussagen lässt, zugleich klang die Formulierung zu einer möglichen nächsten Förderperiode betont nach offenem Ausgang. Dorothee Bär versuchte zwar gleich bei ihren ersten Auftritten als neue Forschungsministerin, rhetorisch gegenzuhalten: Die Exzellenzstrategie sei ein "Aushängeschild der deutschen Wissenschaft" und werde "konsequent" fortgeführt.
Das Zeitspiel der Ministerien
Doch schien es sich mehr um ein Zeitspiel zu handeln, bis mit der Kür der alten und neuen Exzellenzuniversitäten im nächsten Herbst die verbliebenen Entscheidungen in dieser Runde gefallen sind. Jetzt bloß keine Unruhe ins Verfahren bringen. Aber danach, das wird immer offensichtlicher, ist der Wettbewerb, genau 20 Jahre nach seinem Start, zum Abschuss freigegeben.
Während bei den Titelverteidigern und Neubewerbern in diesen Wochen an wenig anderes gedacht wird als an die bevorstehenden Begutachtungen zur Kür der neuen Exzellenzuniversitäten, laufen hinter den Kulissen längst ganz andere Gespräche – über das Danach. Dass ausgerechnet ein Parteifreund Bärs das schon zum jetzigen Zeitpunkt so deutlich zur Sprache brachte und sich dabei auf ein gerade von allen wissenschaftspolitischen Sprechern von CDU und CSU in den Ländern beschlossenes Positionspapier stützen konnte, mag die BMFTR-Chefin nicht als hilfreich empfinden, auch wenn Brannekämper beteuerte, das Papier sei "als ein Turbo für Dorothee Bär" und ihre Politik gedacht. Ein Turbo aber waren die Aussagen zur Exzellenzstrategie auf jeden Fall: Die Debatte, wie es weitergehen soll, läuft abseits der Mikrofone auf Hochtouren.
Dabei lassen sich verschiedene Argumentationslinien erkennen.
Erstens, um mit Brannekämper zu sprechen: Aufwand und Nutzen stünden in keinem vernünftigen Verhältnis mehr. "Beim ersten Durchgang lagen die Vorbereitungszeiten noch bei anderthalb Jahren, inzwischen sind es vier." Und nach drei Wettbewerbsrunden sei doch eigentlich klar, welche Universitäten zu den Spitzenstandorten zählten. "Wir brauchen ein neues Fördermodell, wir müssen raus aus dem endlosen Kreislauf von Anträgen und Neuanträgen."
Natürlich sprach da einer, in dessen Heimatstadt München gleich zwei der Universitäten sitzen, die bei der ExStra abgeräumt haben und für ihn daher selbstverständlich zum deutschen Spitzenstandort-Inventar zählen. Doch selbst in Bundesländern und an Universitäten, die bislang meist leer ausgegangen sind, übersteigt die Antragsmüdigkeit das Hoffen auf künftige Dynamik.
Zweitens: Die Ausrichtung, sagen viele, passe nicht mehr. Wissenschaftspolitische Debatten drehten sich heute um Deutschlands Innovationsschwäche, um Technologie- und Wissenstransfer, um Sicherheits- und Militärforschung. Gerade das, könnte man einwenden, spreche für einen Wettbewerb, der die Grundlagenforschung in den Vordergrund rücke. Aber gehörte dazu nicht im Umkehrschluss – gerade in Zeiten knapper Kassen – zunächst einmal deren Absicherung über die Grundfinanzierung?
Die Angst um das Geld
Drittens: Um die Exzellenzstrategie herum ist in 20 Jahren ein solcher Apparat entstanden – von Strategieabteilungen in den Universitäten über die personalintensive Administration von Clustern bis hin zu eigenen, teilweise umfangreichen Organisationseinheiten und Referaten bei Wissenschaftsrat und DFG –, dass die Entscheidung über ihre Abwicklung längst nicht allein unter wissenschaftsimmanenten Gesichtspunkten getroffen werden würde.
Viertens: Wer über das Ende der Exzellenzstrategie spricht, ohne eine überzeugende Antwort auf die Frage nach dem Danach zu haben, der riskiert nicht nur Verwerfungen in den Universitäten, die kaum auf eine Anschlussfinanzierung aus den Ländern hoffen können. Nein, nicht die Anschlussfinanzierung einzelner Cluster, sondern all jener Personalbereiche und Infrastrukturen, die – mal mehr, mal weniger direkt – nur mit ExStra-Geldern quersubventioniert werden.
Mehr noch: Ohne überzeugenden Plan drohen auch die knapp fünf Milliarden Euro, die Bund und Länder allein in der laufenden Förderperiode bis 2033 investieren werden, danach der Wissenschaft verloren zu gehen und wieder in den Haushaltskassen zu verschwinden.
Während in der Wissenschaftspolitik also noch Unsicherheit herrscht, wird anderswo längst offen diskutiert, wie es weitergehen könnte – und das längst nicht nur von, zugegebenermaßen einflussreichen, Landtagsabgeordneten wie Robert Brannekämper. Die Vorschläge reichen von einem Wettbewerbs-Moratorium, erstmals geäußert vom Geschäftsführer der Berliner Einstein-Stiftung, Thorsten Wilhelmy, über die Forderung nach einem Übergang von der "Wettbewerbs- zur Wirkungslogik" bis hin zum Plädoyer, die Exzellenzstrategie zwar zu erhalten, aber an die Stelle überbordender Begutachtungsverfahren eine stärkere Berücksichtigung der bereits erreichten wissenschaftlichen Reputation zu setzen.
So hatte es zum Beispiel BBAW-Präsident Christoph Markschies zur Diskussion gestellt – mit starken Anleihen an einem bereits von 2015 stammenden Reformvorschlag der damaligen Imboden-Kommission. So ähnlich hatte auch ich es vor nicht allzu langer Zeit aufgegriffen und beschrieben.
Nur dass der wissenschaftspolitische Zug inzwischen so stark Richtung Transfer rollt, dass er über nur teilweise Anpassung der Exzellenzstrategie hinweggefahren zu sein scheint.
Ein vages Gefühl, aber bislang kein Plan
Womöglich ist genau das die beste Erklärung dafür, warum die Wissenschaftsminister von Bund und Ländern über die Zukunft der Exzellenzstrategie derzeit meist so seltsam verklemmt daherreden. Da ist das eindeutige, aber vage Gefühl, dass die ExStra an ihr Ende gelangt. Doch ob das auch für das Wettbewerbsformat an sich gilt, ist ebenso unklar, wie es die Vorstellungen sind, was unter einer Neuausrichtung auf das Mode-Thema "Transfer" zu verstehen sein könnte, welche Inhalte und Formate. Und genau diese Antwort, diesen Plan gibt es bislang nicht einmal in Ansätzen in der Wissenschaftspolitik. Dafür die Angst, dass die Haushaltspolitiker sich genau das zunutze machen könnten.
In einigen Landesministerien ist die Furcht vor den Haushaltspolitikern inzwischen so ausgeprägt, dass dort selbst die Grundlogik eines anderen großen Programms der Forschungsfinanzierung nicht mehr als gesetzt gilt: das jährlich garantierte Plus für die großen außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG im Rahmen des sogenannten Pakts für Forschung und Innovation (PFI), der derzeit bis 2030 läuft.
Die Exzellenzstrategie war immer ein Versprechen: auf Wettbewerb, Profil und Mut zur Differenzierung. Will die Wissenschaftspolitik sie beenden und zugleich die Haushaltspolitik bei der Stange halten, muss sie ein neues, noch mächtigeres Versprechen an ihre Stelle setzen.
Eines, das gleich doppelt in die Zeit passt. Eines, das Innovation und Transfer fördert. Und die Grundlagen, die es dafür an den Hochschulen braucht. Der Wissenschaftsrat hat im Sommer mit seinen Empfehlungen zu den künftigen Personalstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem die Richtung vorgegeben: verlässliche Strukturen, die Förderung klarer Karrierewege für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Entschlossenheit, "Up or Out" hinter sich zu lassen.
Eine neue wissenschaftspolitische Erzählung
Wie wäre das: eine Initiative mit zwei Säulen, die einander bedingen. Die erste, angelehnt an Dorothee Bärs Hightech-Agenda und zu 70 Prozent finanziert vom Bund, fördert Ökosysteme aus Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Wirtschaft, die deren Schlüsselthemen langfristig bearbeiten – an der Schnittstelle zwischen Grundlagen und Anwendung: Transfer ohne kurzfristigen Verwertungsdruck. Anträge können ständig gestellt werden, die Bewilligungen umspannen einen langen Zeitraum.
Die zweite Säule, zu 70 Prozent finanziert von den Ländern: ein nationales "Programm Dauerstellen & Karrieren", das klare Zielquoten für Dauerstellen im Postdoc-Bereich setzt, inklusive der Einführung verbindlicher Karrierepfade nach dem Modell des Wissenschaftsrats.
Zusammen entstünde eine Initiative gegen die Ermüdung und für neue Dynamik im Wissenschaftssystem. So könnte aus dem absehbaren Ende eines Programms der Anfang einer neuen wissenschaftspolitischen Erzählung werden – wenn die Politik den Mut hat, sie wirklich zu erzählen.
Kommentare
#1 - Drei Säulen, nicht nur zwei.
Vielen Dank für die wie immer lehrreiche und spannende Analyse! Was ich in der abschließenden wissenschaftspolitischen Erzählung jedoch schmerzlich vermisse, ist wie so oft die Lehre. Ohne einen Fokus auf diese dritte Säule - die eigentlich in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung die erste sein sollte - wird der deutschen Wissenschaft (und Wirtschaft) perspektivisch der Sprit in Form von zeitgemäß qualifizierten jungen Menschen ausgehen. Eine dritte Säule der Initiative könnte etwa folgendermaßen aussehen:
- 50% Förderung von den Ländern mit dem Ziel, die Grundfinanzierung der Lehre in Teilen von den Studierendenzahlen zu entkoppeln und den Druck auf die Hochschulen zu verringern, zum Erhalt ihres Betriebs die demographische Entwicklung 1:1 ausgleichen zu müssen. So kann die demographische Herausforderung eine Chance werden, für die vorhandenen Studierenden bessere Betreuungsquoten und Ausstattung in der Lehre bereitzustellen.
- 50% Förderung vom Bund für innovative Konzepte in den Hochschulen, die der Weiterentwicklung der Lehre dienen. Das könnten Freisemester zur Weiterentwicklung von Studiengängen, zusätzliche Postdoc-Stellen für in der Lehrentwicklung besonders aktive Professor*innen, Ausbau von Zentren und Angeboten zur Hochschuldidaktik oder vieles mehr sein.
#2 - Zunächst einmal: Ziel der…
Zunächst einmal: Ziel der ExStra war und ist nicht, einmalig herausfinden, wer 'die besten Unis' sind. Erstens besteht sie bekanntlich aus zwei Förderlinien, und die Exzellenzcluster scheinen in der Debatte mE immer wieder irgendwie unterzugehen - bei Herrn Wiardas Reformvorschlag scheinen sie ganz verschwunden, oder lese ich das falsch? Dabei lese ich Kritik vor allem nur auf die zweite Förderleistung der Exzellenzunis gerichtet. Wer "die ExStra" ob dessen abschaffen will, muss aber auch etwas zu den Clustern sagen. Zweitens, und viel wichtiger: Nicht nur die Cluster, sondern beide Förderlinien zielen auf Veränderung und einen permanenten Wettbewerb. Sie sollen nicht einmalig Exzellenz attestieren, sondern dynamisch sein - gerade deshalb ist man ja damals in Förderlinie 2 nicht der Imboden-Empfehlung gefolgt.
Das sei hier nicht als Verteidigung der Aufwände gemeint, die tatsächlich überbordend sind. Aber Kritik an der ExStra sollte die ursprüngliche Zielsetzung zumindest korrekt wiedergeben. Und sie sollte dann sagen, ob das Ziel nun aufgegeben werden soll, oder wie es besser erfüllt werden könnte.
Schließlich , nur als halbernst gemeinter Punkt: Aufwand und Ertrag könnte man auch wieder ins Lot bringen, indem man den Ertrag erhöht...
Mitglied seit
10 Monate 3 Wochen#2.1 - Exzellenzcluster
Vielen Dank für die Anmerkung. Die Zukunft der Exzellenzcluster läge systemlogisch bei der DFG, vielleicht als herausgehobene Sonderforschungsbereiche. Aber vermutlich mit einer deutlich geringeren Finanzierung. Beste Grüße!
#2.1.1 - Bessere SFBs?
"Aber vermutlich mit einer deutlich geringeren Finanzierung."
Darf man fragen warum? Die jetzige Finanzierung ist bereits nur ungefähr die von 2 SFBs, wobei die Cluster aber auch üblicherweise mehr als doppelt so viele Einzelprojekte innerhalb der Cluster umsetzen. Sie haben auch eine deutlich andere Systematik in der Mittelvergabe innerhalb der Laufzeit mit einem Fokus auf Flexibilität und Dynamik innerhalb des jeweiligen Forschungsgebiets, gerade eben ohne überbordende bürokratische Anforderungen diesbezüglich.
#4 - Interessen nicht vergessen
Vielleicht sollten nicht ganz so viele Stimmen aus Berlin zu Wort kommen. Mit Blick auf das Abschneiden in der aktuellen Exzellenzrunde und der gleichzeitigen Kürzungsrunde zu Lasten ihrer Hochschulen ist die Hoffnung auf großkoalitionäre Deals mit Bayern sicher größer als das Vertrauen in den Wettbewerb.
#5 - Exzellenz auch in der Lehre?!
Ja, allerdings wäre "Exzellenz auch in der Lehre?" auch m.E. ein wichtiges Thema. Ironischerweise war dies auch das Fazit der ersten Bilanztagung zur Exzellenzinitiative, die bereits vor rund zwei Dekaden am Institut für Hochschulforschung in Wittenberg stattfand, und wo dieser Forderung auch die damalige Bundesbildungs- und Forschungsministerin Edelgard Bulmahn zustimmte.
Wer sich dafür interessiert, was hierzu bereits zum Ende der zweiten Runde der Exzellenzinitiative bzw. späteren -strategie des Bundes und der Länder diskutiert wurde, kann dies in einem kurzen Tagungbericht nachlesen (auf S. 192f. in der Zeitschrift "Das Hochschulwesen" 6/2007 bzw. als Volltext unter: https://www.hochschulwesen.info/inhalte/hsw-6-2007.pdf).
#6 - Personalstruktur
Was das Ziel der ExIn war, wenn es überhaupt ein Ziel gab, – einmal die Besten küren oder der ewige Wettbewerb – scheint mir nicht ganz so klar. Der ürsprüngliche Slogen war jedenfalls "Brain up! Deutschland sucht die Superuniveritäten" ... Aber es kommt seitdem wirklich vieles wieder – die beschriebene zweite Säule erinnert wieder an das Papier "Nach der Exzellenzinitiative: Personalstruktur als Schlüssel zu leistungsfähigeren Universitäten", das die junge Akademie (vor nicht zwei, aber vor ca. einer Dekade) veröffentlicht hat (https://www.diejungeakademie.de/de/publikationen/nach-der-exzellenzinitiative-personalstruktur-als ).
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