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Für wen lohnt sich die Exzellenzstrategie?

Die alte Kritik ist wieder da: Allein die Anträge kosten dreistellige Millionenbeträge. Warum die Rechnung für die Verlierer trotzdem aufgeht.

Scheinwerfer an nur für die Gewinner? Das Logo der Exzellenzstrategie.
Screenshot von der Website der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).

ZUGEGEBEN, DIE EXZELLENZSTRATEGIE, die ihre einzigartige hochschulpolitische Karriere vor 18 Jahren als Exzellenzinitiative begann, hat etwas von ihrem öffentlichkeitswirksamen Glanz eingebüßt. Einst waren "Elite" und "internationale Spitzenforschung" die Buzzwords, die in keiner Wissenschaftsminister-Rede fehlen durften, heute sind es "Transfer", "Innovation" und "Impact". 

 

Entsprechend tauchen plötzlich wieder Diskurse auf, die längst überwunden schienen. Zum Beispiel der mit den hohen personellen und finanziellen Kosten, die in der "ExStra" bei den antragstellenden Universitäten entstehen. Allein für Exzellenzcluster-Bewerbungen, hat jetzt Table.Media vorgerechnet, dürften "internen Schätzungen der Hochschulen" zufolge rund 150 Millionen Euro investiert werden, "rund die Hälfte davon ohne Erfolg". 

 

Doch was heißt hier "ohne Erfolg"? Allein dadurch, dass sie bei dem Wettbewerb mitgemacht haben, sind viele Universitäten zum ersten Mal überhaupt dazu gezwungen worden, eine stimmige Forschungsstrategie zu formulieren, ihre Verwaltung zu modernisieren und ihre Führungspersonal zu professionalisieren. Die Exzellenzinitiative hat neue Kooperationen und Querverbindungen zwischen Fächern, Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen geschaffen und zugleich herausragende Forscherpersönlichkeiten sichtbarer gemacht. All das unabhängig davon, ob am Ende die Bewilligung kam. 

 

Ja, das hat zu Ungerechtigkeiten geführt auch dadurch, dass Ressourcen oft schon dafür hochschulintern umverteilt wurden, um die Antragstellung zu ermöglichen. Doch zur Wahrheit gehört genauso, dass zahlreiche Landesregierungen in die Bewerbungen ihrer Unis viele extra Millionen gesteckt haben, die es sonst gar nicht gegeben hätte.

 

Inwiefern Exzellenzinitiative und Exzellenzstrategie die im Wettbewerb erfolgreichen Universitäten im Besonderen und die deutsche Wissenschaft im Allgemeinen auf eine neue Qualitätsstufe gehoben haben, steht auf einem anderen Blatt. Zwar tauchen heute mehr deutsche Universitäten in internationalen Spitzenrankings auf, von den vorderen Plätzen sind sie aber genauso weit entfernt wie Mitte der Nullerjahre. Zwar ist die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen aus Deutschland (wie auch aus anderen Ländern) stark gestiegen, an den Exzellenzunis teilweise stärker als anderswo, doch setzte sich damit ein Trend fort, der älter ist als die Exzellenzinitiative. Und beim deutschen Anteil an den internationalen Top-Autoren waren auch keine Sprünge zu verzeichnen. 

 

Umgekehrt wäre es übertrieben, die Rekord-Befristungsquote bei Postdocs vor allem als Folge der "Exini" zu labeln. Die sehr wohl zu einem Ausbau an Doktorandenstellen geführt hat, doch nur als Teil eines umfassenden Trends hin zu immer mehr Drittmitteln. Man könnte sogar sagen: Es ist nicht die Schuld eines – bewusst anders gestalteten – Exzellenzwettbewerbs, wenn gleichzeitig der Normalbetrieb immer prekärer wird.    

 

Warum die Wissenschaftspolitik
heute andere Buzzwords hat

 

Dass die Wissenschaftspolitik heute lieber über Transfer & Co spricht, hat indes ganz andere Gründe. Der eine ist so trivial wie menschlich: Diejenigen Minister in Bund und Ländern, die die Exzellenzinitiative einst aus der Taufe gehoben haben, sind längst nicht mehr im Amt. Und auch von denen, die daraus Mitte der Zehnerjahre die Exzellenzstrategie geformt haben, immer weniger. Ihre Nachfolger wollen sich aber lieber mit eigenen Kreationen schmücken, als einfach nur dieses Erbe zu verwalten. Wobei man das zusätzliche Geld vom Bund, als es vergangenes Jahr um die erneute Verlängerung und Aufstockung der "ExStra" ging, natürlich trotzdem gern mitnahm. Die einzigen Wissenschaftspolitikerinnen, die sich in eine inhaltliche Debatte stürzten, waren, aus unterschiedlichen Motiven heraus, die Ministerinnen aus Hessen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern – besonders viel Aufmerksamkeit dafür gab es indes nicht mehr.  

 

Der zweite Grund ist die deutsche Innovationsschwäche, die, schon lange Realität, vielen im Zuge von Corona und Ukrainekrieg erst so richtig klar geworden ist. Nicht Schritt gehalten mit der gewachsenen Popularität von Transfer & Co hat freilich die inhaltliche Schärfe der Debatte: Alle reden über die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI), obwohl es sie immer noch nicht gibt; über die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), die weiter auf ihr Ertüchtigungsgesetz wartet, und über die kürzlich von der Bundesregierung beschlossene "Zukunftsstrategie Forschung und Innovation" – deren Fokussierung Not tut und deren Umsetzung laut Gutachten der  Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) bislang nur in Ansätzen zu erkennen ist. 

 

Derweil, mögen die wissenschaftspolitischen Buzzwords auch heute andere sein, wissen die Unis immer noch genau, was sie an der "ExStra" haben. 145 Absichtserklärungen für neue Exzellenzcluster vermeldete die DFG neulich. Hinzu kommen die 57 bestehenden Cluster, die wohl fast alle wieder an den Bewerbungsstart gehen dürften. So könnten es am Ende in dieser Bewerbungsrunde sogar mehr Exzellenzanträge werden als die 192 von 2016. Glanz ist eben nicht alles. 

 

Dieser Kommentar erschien in einer kürzeren Fassung zuerst in meiner Kolumne "Wiarda will's wissen" im Tagesspiegel.


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Kommentare: 6
  • #1

    Dietrich Nelle (Montag, 27 Februar 2023 09:09)

    Das Intro trifft den Punkt. Entscheidend ist aber nicht die nationale Vergleichsbetrachtung, sondern die Steigerung der internationalen Attraktivität der beteiligten Hochschulen. Diese lässt sich weder in Rankings noch im unmittelbaren monetären Ertrag sinnvoll ablesen. Viel wichtiger ist die Gewinnung internationaler Leistungsträger - vom Studi über PostDocs bis zu Spitzenforschenden. Die alle kommen nur, wenn die Zielhochschule einen klaren Schwerpunkt in "ihrem" Bereich hat. Dass das funktioniert, lässt sich anhand der internationalen Besetzung der ExStra-Cluster gut studieren. Und im Übrigen gewinnen sogar Hochschulen, die keinen Cluster gewonnen haben, aber ein auch aus dem Ausland klar erkennbares Profil vorzeigen, auf diese Weise an Attraktivität. Die für die Bewerbung getätigten Investitionen sind dann nicht verloren, sondern gut in die eigene Zukunft investiert.

  • #2

    Noch 'ne Hanna (Montag, 27 Februar 2023 10:07)

    "Es ist nicht die Schuld eines – bewusst anders gestalteten – Exzellenzwettbewerbs, wenn gleichzeitig der Normalbetrieb immer prekärer wird."

    Ich bin FÜR die ExStra und Forschungsfinanzierung aus Drittmitteln (weil ich Wettbewerb für das beste Mittel halte, um knappe Ressourcen zu alloziieren), aber so ganz unabhängig sind diese beiden Bereiche nicht voneinander: Die Länder können die Ressourcen, die für Antragsstellung und Ko-Finanzierung notwendig sind, nicht vollständig ausgleichen, weil sie dieses Geld irgendwo anders im Landeshaushalt abziehen müssten. Besonders ausgeprägt in den Stadtstaaten, aber auch spürbar in den Flächenländern, die viele Exzellenz-Einrichtungen haben. Und so kommt es dann eben doch dazu, dass die "ursprünglichen Unis" ausgehungert werden, z.B. durch das Aufschieben von notwendigen Reparaturen. Das ist zunächst nicht direkt sichtbar, kumuliert sich aber über die Zeit und führt dann zu den Schilderungen, die man oft hört: Direkt neben einem "Leuchtturm" ein Gebäude, in das es reinregnet oder das gar nicht mehr betreten werden darf. Es trifft vor allem die großen Studiengänge, die stärker beruflich, als wissenschaftlich ausgebildet haben: Es gibt keine Preise dafür, jedes Jahr zu gewährleisten, dass 500 junge Menschen eine gute berufliche Grundlage erwerben können, deswegen fällt lange nicht auf, dass die Situation hier immer problematischer wird, weil z.B. Übungen im Jura-Studium gestrichen werden müssen. ExIni und ExStra haben gewaltige Konstruktionsfehler, die vor allem darin bestehen, dass nicht alle Unis sich die Teilnahme leisten können. Die Unis, die das eigentlich nicht können, "tricksen" zu Lasten der nicht-professoralen Uni-Angehörigen. Diese positiven Effekte durch den Antragsprozess allein werden letztlich auch nur von den dafür eingerichteten Stabsstellen behauptet - und die sprechen in diesem Zusammenhang über ihre eigene Unabdingbarkeit.

  • #3

    Hanna Forever (Montag, 27 Februar 2023 10:19)

    75 Millionen für erfolglose Anträge, die dann indirekte, schwer messbare Verbesserungen wie die Existenz von "Forschungsstrategien", "Modernisierung" und "Professonialisierung" zur Folge haben sollen? Das klingt nach gigantischer Verschwendung. Hat jemand mal berechnet, wie viel Arbeitsstunden Wissenschaftler:innen darauf verwenden, Anträge zu schreiben, die in der Tonne landen? Das ist Zeit, die für grundständige Forschung und Lehre fehlt! Zudem steht zu vermuten, dass wettbewerbsbasierte Forschungsstrategien
    nach Moden und herrschenden Diskursen ausgerichtet werden und somit risikobehaftete, innovative Forschung behindern. Von der dauerhaften Unsicherheit der Drittmittelbeschäftigten ganz zu schweigem. Also: Grundfinanzierung der Hochschulen erhöhen, Drittmittelfinanzierung zurück fahren, Dauerstellen schaffen.

  • #4

    Hannas united! (Montag, 27 Februar 2023 15:52)

    Die wahre Exzellenzforschung wird ohnehin nicht an den Universitäten betrieben, sondern an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Diese bekommen auch deutlich mehr Forschungsgelder als die Universitäten, die neben der Forschung auch die wichtige gesellschaftliche Aufgabe der Lehre exzellent ausfüllen sollten. Deutsche und amerikanische Eliteuniversitäten in einem gemeinsamen Ranking vergleichen zu wollen, ist daher nicht sinnvoll. - Die Exzellenzprogramme sind vor diesem Hintergrund ein unbedeutender Wettbewerb, bei dem sich die "Gewinner:innen" unter den Präsident:innen für in weiten Teilen befristete Projektgelder als Pseudo-Forschungselite auf die Schulter klopfen dürfen. Die Wettbewerbe ziehen, wie beschrieben, Geld aus Strukturen ab, die u.a. eigentlich eine exzellente Lehre - z.B. eine gute Lehramtsausbildung - gewährleisten sollten. Den Universitäten, die sich immer mehr zu Drittmittelgewinnungsmaschinen für Kurzzeitprojekte entwickeln und die Lehre und Forschung inzwischen in unterschiedliche Hände legen (Hochdeputatsstellen für die Lehre einerseits und Forschungsstellen für das Bestreiten von Drittmittelprojekten andererseits), sollten sich wieder auf die 'Einheit von Forschung und Lehre in einer Person' konzentrieren und somit ihrer zweiten Kernaufgabe nachkommen, nachhaltige Strukturen für eine hohe Studienqualität zu entwickeln. Denn die deutsche Gesellschaft braucht die Innovationskraft, die sich aus exzellenten Absolvent:innen ergibt, mehr als ein paar zusätzliche Forschungsleuchtürme neben den ohnehin exzellenten außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Die Exzellenzwettbewerbe jedenfalls dienen meist nicht der Mehrzahl der Studierenden/Absolvent:innen. Wenn durch Wettbewerbe zusätzlich Gelder aus nachhaltigen Strukturen wie der Lehre abgezogen werden, und das Auslaugen der Mitarbeitenden durch zusätzliche, andauernde Drittmittelwettbewerbe mit absurd niedrigen Bewilligungsquoten für Kurzfristprojekte fortgeführt wird, wird dem Wissenschaftssystem und der Gesellschaft dauerhaft Innovationskraft genommen. Dauerhaft exzellente Forschung & Lehre muss gewährleistet werden, statt Kurzzeitprojekten, Pseudo-Rankings und "Elite"-Etikettenschwindel.

  • #5

    Blick aus den USA... (Mittwoch, 01 März 2023 14:24)

    Wer erinnert sich an das NIH Doubling? https://www.science.org/doi/10.1126/science.1136931

  • #6

    Johannes (Samstag, 04 März 2023 19:30)

    Ebenfalls nicht einverstanden: die Stunden die in die Antragsstellung gehen, pauschal für sinnvoll und strategieförderlich zu erklären: viele Stunden von Leuten, die extra für die Antragstellung beschäftigt werden (kurze Befristungen und Honorarkräfte) und viele (im Zweifel unbezahlte Mehr-) Stunden von Forscher*innen, die effektivere Dinge machen könnten. Ich finde immer noch, es müsste vereinfachte Anträge auf Basis von Past Performance geben können (ich gebe zu: das Problem sind nicht die Spitzen, sondern im Mittelfeld auszuwählen - alle Unis in München und Berlin hätte ich von der Antragspflicht ausgenommen, ebenso RWTH & KIT, und viel Arbeit gespart), und die ganze Strategiebildung könnte dann in einer ersten Förderphase gefordert und evaluiert werden.

    Auch nicht einverstanden: was, wenn es nicht so sehr eine Vervielfachung der Promovierenden gegeben hat (stabil zwischen 180-200T) sondern eine Verbesserung ihrer Arbeits- (nicht unbedingt: Qualifizierungs-)bedingungen?