Make Bundesausbildungsförderungsgesetz "total sexy" again
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär würde dem BAföG am liebsten einen neuen Namen geben. Doch nicht der Name ist das Problem, sondern was die Politik aus dem BAföG gemacht hat.
WAS IST EIN "GALGENMÄNNCHENWORT"? Bundesforschungsministerin Dorothee Bär hat da einen Favoriten: Bundesausbildungsförderungsgesetz. Das klinge "nicht total sexy", sagte die CSU-Politikerin im ARD-Interview der Woche. Sie könne sich da einen neuen Namen vorstellen, weil sie "ganz oft" erlebe, "dass das jetzt in Studierendenkreisen nicht den besten Ruf hat, was ich sehr schade finde, weil das nichts ist, wofür man sich schämen muss". Zugegeben: Der Name ist lang und technisch. Aber sein Kürzel, "BAföG", ist eine Marke, die seit über einem halben Jahrhundert im Umlauf ist und im Hochschuljargon auf Augenhöhe mit "Mensa", "Auditorium" oder "Medizinerparty" rangiert. Man kann sich kaum vorstellen, dass eine öffentlichkeitsaffine Politikerin wie Dorothee Bär sie ernsthaft preisgeben würde.
Das wahre Problem ist, was die Politik aus dem BAföG gemacht hat. Dabei geht es beileibe nicht nur um Bedarfssätze und Freibeträge, die in der Vergangenheit allzu oft nur unzureichend erhöht wurden. Es geht um die Barrieren aus mangelhafter Öffentlichkeitsarbeit, komplexer Antragsprosa und teilweise überlangen Bearbeitungszeiten. Die resultieren aus einer halbfertigen Digitalisierung, die bislang nach dem Hochladen der Anträge endet. Wenn Bär also sagt, sie wolle das BAföG schneller, digitaler und bekannter machen, dann teilt sie dieses Ziel mit ihren Vorgängerinnen. Im Gegenzug zu diesen könnte sie es aber tatsächlich erreichen, wenn sie dreierlei beherzigt:
Erstens: Ein KI-basierter BAföG-Chatbot, verbunden mit einer massiven Social-Media-Kampagne, würde helfen, deutlich mehr von der Hälfte jener Studierenden zu erreichen, die trotz BAföG-Anspruch keinen Antrag stellen. Die Konzepte und Modelle sind da.
Zweitens: Jede Digitalisierung wird nur so gut sein wie die BAföG-Ämter, die unter Personalmangel leiden. Es ist so traurig wie paradox: Würde die Zahl der Anträge plötzlich massiv steigen, bräche das Bearbeitungssystem womöglich zusammen. Schon jetzt gibt es teilweise monatelange Wartezeiten.
Drittens: Auch wenn der Koalitionsvertrag eine BAföG-Novelle verspricht und sogar deren Höhe ausbuchstabiert, wird die Ministerin kämpfen müssen. In den Haushaltsverhandlungen für 2027 wird es zu brutalen Verteilungskämpfen kommen, und schon in normalen Zeiten sind die Haushaltspolitiker gewöhnt, dass BAföG-Mittel zu ihnen zurückfließen.
Übrigens: Selbst wenn Bär ein griffiger neuer Name fürs die Studienförderung einfiele – ihre bisherigen Überlegungen in Richtung "Stipendiensystem" wirken noch reichlich rudimentär. Die Energie kann sie sich sparen. Für ihren Koalitionspartner SPD ist das Kunstwort "BAFöG" Inbegriff des Bildungsaufbruchs in der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt. Dann schon lieber darauf konzentrieren, dass die Förderung hinter dem Namen wieder "total sexy" wird.
Dieser Kommentar erschien zuerst im WISSEN DREI-Newsletter der ZEIT.
Kommentare
#1 - Das BAföG hat sich seinen schlechten Ruf selbst verdient
Man darf sich doch die Frage stellen, in welchen Studierendenkreisen Dorothee Bär verkehrt, wenn Sie den schlechten Ruf des BAföG auf Schamgefühle zurückführt. Meine langjährige Erfahrung aus der Arbeit in und mit Studierendenvertretungen ist das Gegenteil: das BAföG ist, gerade im gesellschaftlichen Vergleich mit anderen Sozialleistungen, absolut normalisiert.
Einen schlechten Ruf hat das BAföG trotzdem, aber der ist hausgemacht: Die Förderung ist zu gering, zu komplex zu beantragen und kommt häufig zu spät. Was es dringend braucht, ist eine Erhöhung der Regelsätze sowie eine Vereinfachung der Förderkriterien. Ein Großteil derer, die trotz Förderanspruch kein BAföG erhalten, gehen schlichtweg aufgrund falscher Vorstellungen davon aus, nicht förderberechtigt zu sein. Diese Gruppe wird auch durch einen KI-Bot nicht erreicht werden können, weil sie die entsprechenden Fragen nicht stellt. Stattdessen braucht es griffige, allgemeinverständliche Förderkriterien, die auch gut auf eine Plakatwand oder eine Online-Anzeige passen. Wenn diese bestenfalls auch noch leichter zu prüfen sind, kommt das BAföG hoffentlich auch bei den Studierenden an, bevor das erste Semester mit Krediten oder Nebenjobs überbrückt werden musste.
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