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Die Ministerin, die sie hätte sein können

Bettina Stark-Watzinger startete als Hoffnungsträgerin in ihr Amt. Jetzt ist sie das unbeliebteste Mitglied der Bundesregierung. Was ist passiert?

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Artikelbild: Die Ministerin, die sie hätte sein können

Bettina Stark-Watzinger.Foto: BMBF/Hans-Joachim Rickel.

Nein, schrieb die ZEIT vor drei Wochen, mangelnde Konsistenz könne man Bettina Stark-Watzinger nicht vorwerfen. "Was sie anpackt, misslingt."

Dabei waren die Hoffnungen gewaltig, als die damals 53-jährige Ende November 2021 von der FDP-Spitze als neue Bundesministerin für Bildung und Forschung nominiert worden war. Was freilich auch viel mit ihrer Vorgängerin Anja Karliczek (CDU) zu tun hatte, der gelernten Hotelfachfrau und Absolventin eines Fernstudiengangs, mit der die – durchaus dünkelhafte – Wissenschaftsszene nie richtig warm geworden war.

Bettina Stark-Watzingers Lebenslauf dagegen enthielt all die richtigen Schlagwörter: Studium an den Universitäten Frankfurt und Mainz. Geschäftsführerin einer interdisziplinären Forschungseinrichtung. Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion. Für den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zuständige Berichterstatterin im Haushaltsausschuss, die ihr rhetorisches Geschick bereits mehrfach unter Beweis gestellt hatte.

Sie habe Ahnung, sei politisch einflussreich und könne das Geld beschaffen: Solche Erwartungen aus Bildung und Wissenschaft wurden weiter genährt durch einen Ampel-Koalitionsvertrag, der den versprochenen "Aufbruch" auch in Form offensichtlich milliardenschwerer Bildungsprojekte ausbuchstabierte: ein zweiter Digitalpakt, ein "Startchancen-Programm" für tausende benachteiligter Schulen, ein grundlegender BAföG-Umbau und mehr. Dass die Ampel schon damals keine konkreten Investitionssummen nennen wollte, hätte freilich stutzig machen können.

Ihren eigenen konzeptionellen Ehrgeiz hatte Stark-Watzinger bereits Monate, bevor sie Ministerin wurde, gezeigt: In der Welt forderte sie eine "Bildungsrevolution", warf der Kultusministerkonferenz vor, "bürokratisch und träge" zu sein, und erklärte einen "Systemwechsel" für erforderlich – hin zu mehr Verantwortung des Bundes in der Bildung. Dieser Gastbeitrag war es, den die Zeitungsredaktionen dann herauskramten, als sie nach Anhaltspunkten über die neue Hausherrin im BMBF suchten.

Platz 16 von 16 auf der Beliebtheitsskala

Die Antwort, was schiefgegangen ist, warum Stark-Watzinger laut Spiegel-Regierungsmonitor zuletzt auf Platz 16 von 16 der beliebtesten Bundesminister lag, beginnt denn auch bei der tiefen gesellschaftlichen Sehnsucht nach dem bildungspolitischen Neuanfang, welche die Ampel mit ihren Versprechungen bediente, welche Stark-Watzinger so emphatisch verkörperte – und die dann nach nur zehn Wochen umso härter auf die neue haushaltspolitische Wirklichkeit nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine prallte.

Ob Stark-Watzinger in einer anderen Welt den erhofften kurzen FDP-Dienstweg ins Finanzministerium gehabt hätte, ist Spekulation. Fakt ist, dass ihr Ministerium schon im Sommer 2022 in verschiedenen Forschungs-Förderprogrammen den Rotstift ansetzte. Fakt ist auch, dass sie Anfang 2023 freudig die Ankündigung Christian Lindners einer jährlichen "Bildungsmilliarde" begrüßte – obwohl diese einem Sparprogramm gleichkam: Die Umsetzung aller Ampel-Bildungsprojekte würde das Mehrfache kosten.

Bald kommentierten erste Bildungswissenschaftler und Hochschulrektoren hinter vorgehaltener Hand, vielleicht sei Karliczek doch keine so verkehrte Ministerin gewesen. Sie habe zwar weniger schlau dahergeredet, aber dafür habe man sich auf ihre Ankündigungen, auch finanziell, verlassen können.

Zu den haushaltspolitischen Nöten trat nämlich, dass Stark-Watzinger oft wenig strategisch wirkte – und zu selten Durchsetzungsfähigkeit erkennen ließ. So brauchte ihr Ministerium im Sommer nach Protesten aus Hochschulen und Fachverbänden gegen die Forschungs-Kürzungsvorhaben wochenlang, um sagen zu können, wo nun eigentlich genau was gespart werden solle. Derweil musste das BMBF den Eindruck einer neuen Verwertungslogik zulasten der Grundlagenforschung zu zerstreuen, und als dann ein Teil der Pläne zurückgenommen wurde, blieb der Eindruck von ziemlich viel Ärger für ziemlich wenig gesparte Millionen.

Nach 50 Stunden zurückgerudert

Verwirrung gab es kürzlich um das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das Stark-Watzingers Ministerium, einem weiteren Ampel-Versprechen folgend, novellieren will, um die enormen Befristungsquoten in der Wissenschaft zu verringern. Nach monatelangen Beratungen ihres Ministeriums mit allen möglichen Akteuren in der Wissenschaft und mit den Koalitionspartnern präsentierte sie die Pläne, doch nur 50 Stunden später ließ sie nach einem Online-Shitstorm ihre Staatssekretäre per Twitter die erneute Überarbeitung verkünden – aber mit welchem Ziel genau eigentlich?

Die Landeswissenschaftsminister wiederum waren irritiert, als der Koalitionsausschuss im September 2022 eine 200-Euro-Energiesoforthilfe für Studierende und Fachschüler beschloss, das BMBF aber über Wochen keinen Weg zur Auszahlung fand – und daraufhin, so zumindest die Darstellung der Kritiker, den Ländern den Schwarzen Peter zuschob. Zwischenzeitlich drohten die Länder gar, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Leidtragenden waren in jedem Fall die Betroffenen: Bis Mitte März mussten sie auf den Beginn der Auszahlung warten.

Wenig glücklich agierte Stark-Watzinger auch gegenüber den Kultusministern: Sie wolle eine neue Kultur der Zusammenarbeit im Föderalismus, ohne mit dem Finger aufeinander zu zeigen, betonte sie. Doch ihre Länderkollegen erinnerten sich an ihren Welt-Gastbeitrag und zahlreiche Interviews, in denen die Bundespolitikerin den Zustand der Schulen kommentierte, für den die Kultusminister zuständig sind, den Lehrermangel oder die schlechten Schülerleistungen. Stark-Watzinger solle lieber ihren eigenen Job machen und das versprochene Geld für den Bildungsaufbruch organisieren. Als sie dann Anfang März zu einem Bildungsgipfel lud, ohne die Kultusminister in die Planung einzubeziehen, blieben fast alle demonstrativ fern, auch Stark-Watzingers öffentlichen Vorstoß zu einer neuen "Taskforce Team Bildung" ließen sie an sich abprallen.

Die Ministerin, die sie noch werden kann

Dabei ist Stark-Watzingers Bilanz in Teilen durchaus respektabel. Sie hat den ersten Teil der Bafög-Reform abgeliefert. Sie war federführend bei der Ausarbeitung der Ampel-"Zukunftsstrategie Forschung und Innovation", die allerdings gemischte Kritiken erhielt. Sie konnte trotz der Haushaltsnot vermelden, dass die Hochschulen künftig jedes Jahr drei Prozent mehr Bundesgeld für die Lehre erhalten sollen. Und nach dem monatelangen Hin und Her um die 200-Euro-Hilfe hat ihr Ministerium zusammen mit Sachsen-Anhalt ein System auf die Beine gestellt, bei dem zwischen Online-Beantragung und Überweisung oft nur Minuten vergehen.

Auch dass sie Zähne zeigen kann, bewies Stark-Watzinger zuletzt, als sie angesichts einer Spesenaffäre bei der Fraunhofer-Forschungsgesellschaft nach langem Abwarten endlich den sofortigen Austausch des gesamten Vorstands forderte (der allerdings noch aussteht).

Doch muss sie ihre Expertise und ihr Kommunikationstalent gewinnbringender einsetzen: im Umgang mit den Ministerkollegen in Bund und Ländern, und mit ihren eigenen, größtenteils aus CDU-Zeiten geerbten BMBF-Mitarbeitern, deren Kompetenzen sie bislang zu wenig genutzt hat. Einige im Ministerium berichten von einem regelrechten Misstrauen zwischen der FDP-Führungsetage und anderen Teilen des Hauses.

Die Ministerin, die viele am Anfang in ihr hatten sehen wollen, wird sie zwar auch dann nicht mehr werden können, dafür haben sich die Zeiten zu sehr geändert. Aber eine Ministerin für Bildung und Forschung, die in die neue Zeit passt, schon. Sie wird dringend gebraucht.

Dieser Beitrag erschien in kürzerer Fassung zuerst im FREITAG.

Kommentare

#1 -

Forschender | Di., 11.04.2023 - 14:20
Lautsprecher und Kurzzeit-Staatssekretär Thomas Sattelberger hat hier eine sehr ungute Rolle gespielt. Zunächst hat er höchste Erwartungen geweckt, die FDP würde jahrzehntelange Fehlentwicklungen in der Forschungspolitik korrigieren, und Stark-Watzinger in den Schatten gestellt. Dann aber hat er nicht geliefert. Sondern ein Konzept für DATI vorgelegt, wie es SPD und CDU nicht schlechter hätten machen können. Bei SPRIND keine Transparenz hergestellt. Und ihr dann aus dem Off betr. Fraunhofer auch noch öffentlich vors Schienbein getreten. Wer solche (Partei-)freunde hat ...

#2 -

Norbert Esser | Mi., 12.04.2023 - 11:21
Sie hat eine hoch gebildete und äußerst anspruchsvolle "Kundschaft". Ihr Amt hat viele föderale Problem-Schnittstellen. "Altlasten" kann sie nur bis zur Ebene der Abteilungsleiter entsorgen, wovon sie ja auch Gebrauch gemacht hat. DATI hat wenig Freunde und sehr starke Gegner. Viele Aufgaben für die kurze Zeit. Warten wir es ab.

#3 -

Roman Held | Fr., 14.04.2023 - 12:01
Wenn man ehrlich ist, darf nicht alleine auf Stark-Watzinger herumgeprügelt werden. Sie muss den ganzen Mist der Vorgänger(innen) ausbaden und kriegt dafür hier eins aufs Maul !!! Nicht nett.
Und ja Forschender hat recht, leider nur viel heiße Luft von T. Sattelberger produziert - ohne wirklichen Erfolg! Ich hätte mir auch mehr erwartet. Statt unermüdlich als politischer Spitzenfunktionär für Veränderungen in der deutschen Forschungs- und Innovationspolitik weiter zu kämpfen, zieht er sich zurück und prügelt dann öffentlich auf seine Parteikollegin ein. Eigener Frust? Hätte er es doch als Staatsekretär besser machen sollen. So bleibt ein "feiger" Nebengeschmack. Immerhin hat er es versucht.
Bewirken kann die Politik doch schon lange nichts mehr, wie die zaghaften Rücktrittsforderungen des gesamten Fraunhofer Vorstandes durch die Ministerin aber auch durch Ihre journalistischen Beiträge zeigen. Bringt nichts - Aussitzen klappt prima. Herr Neugebauer ist weiter in Amt und Würden und wird auf diversen Plattformen und Veranstaltungen weiter für seine Spitzenforschung öffentlich hofiert. Ohne eigenen Scham und Reue!
Immer klarer wird: Enthüllungsjournalismus und politische Machtworte bringen in Deutschland nicht mehr die Konsequenzen, wie früher. Für mich eine erschreckende Feststellung, da damit die demokratische Grundordnung in Deutschland immer mächtiger wackelt.

#4 -

Aufmerksamer Leser | Mo., 17.04.2023 - 16:17
[Anfang Zitat]: "... Das Unternehmen Bosch Rexroth wurde im Rahmen der feierlichen Eröffnung mit dem HERMES AWARD 2023 ausgezeichnet, dem Technologiepreis der HANNOVER MESSE. Die Übergabe erfolgte durch Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung. Die Jury unter dem Vorsitz von Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, hatte dabei ein Produkt..." [Ende Zitat]
Somit werden die Rücktrittsforderungen von Stark-Watzinger an Reimund Neugebauer bemerkenswert relativiert. Ohne weitere Kommentare - ist wohl selbsterklärend und eindeutig.

#5 -

Industrieforschung | Fr., 21.04.2023 - 02:00
"Bettina Stark-Watzinger startete als Hoffnungsträgerin in ihr Amt. Jetzt ist sie das unbeliebteste Mitglied der Bundesregierung"
Hier muss die Ministerin ein Stück weit mit ausbaden, dass die 100Mrd Sondervermögen auch durch Einsparungen finanziert werden, und Habeck deswegen bei sich im Hause u.a. auch bei der AIF spart, Mittel streicht und z.B. das ZIM-Programm mehr als ein halbes Jahr lang geschlossen war.
Der Ärger darüber ist wohl auch bei der Forschungsministerin abgeladen worden.

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