Umbau mit angezogener Handbremse
Das Ziel der Bundesregierung: Innovationspolitik aus einem Guss. Doch die Zuständigkeiten für Innovationspolitik sollen offenbar aufgeteilt bleiben zwischen den Ministerien.
Bild: PIRO / Pixabay.
MITTWOCHMORGEN, 10 Uhr, Jakob-Kaiser-Haus, Sitzungssaal 1.302. Die Abgeordneten des Bundestagsausschusses für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung treffen sich zu ihrer 6. Sitzung.
TOP 2: "Bericht der Bundesregierung zum aktuellen Stand der Umsetzung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers" – also zum Neuzuschnitt der Ressorts. Welche Referate und Zuständigkeiten wechseln denn nun ins Haus von Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) – und welche nicht? Bärs parlamentarischer Staatssekretär Matthias Hauer, so berichten es Teilnehmer, habe zunächst einen Überblick gegeben. Danach sei die später dazugestoßene Ministerin dran gewesen, hauptsächlich ging es um die Hightech-Agenda, aber fast nebenbei habe Bär selbst mitgeteilt: Die großen Programme ZIM, Inno-Kom und IGF sollen im Wirtschaftsministerium bleiben.
So kommt in nichtöffentlicher Sitzung in die Welt, was sich seit Wochen abzeichnete: Der große Umbau des bisherigen BMBF zum Technologie- und Innovationsministerium gelingt, zumindest was die Innovationspolitik angeht, nur teilweise: Zwar sollen, wie bereits bekannt, etwa die Grundsatzfragen der Innovations- und Technologiepolitik vom BMWE ins BMFTR wechseln, doch hat sich Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) offenbar erfolgreich dagegen gewehrt, auch die finanzstarken Fördertöpfe für angewandte Industrieforschung und Innovation im Mittelstand ans BMFTR abzutreten. Während weiter unklar ist, wo EXIST – die Initiative für Existenzgründungen aus der Wissenschaft – künftig verortet wird. Im Ausschuss sagte Staatssekretär Hauer laut Teilnehmern, hierüber verhandle man noch zwischen BMFTR und BMWE. Das BMWE übrigens hatte zuletzt den "EXIST Startup Factories"-Wettbewerb groß in Szene gesetzt.
Auf Anfrage will das BMFTR die Berichte aus der Ausschusssitzung mit Verweis auf deren Nichtöffentlichkeit nicht kommentieren.
Halber Neustart in der Innovationspolitik
Doch neu ist das Muster nicht: Schon in den vergangenen Legislaturperioden war die Zusammenarbeit zwischen Forschungs- und Wirtschaftsministerium von Rivalitäten geprägt. Ob bei der Hightech-Strategie, der Industrieplattform "Industrie 4.0" oder beim Nebeneinander von Programmen wie "Clusters4Future" (früheres BMBF) und "go-cluster" (früheres BMWK): Immer wieder verwirrte ein Nebeneinander von Kompetenzen Unternehmen wie Forschungseinrichtungen gleichermaßen.
Das Kompetenzgerangel bremste nicht nur, es schuf auch doppelte Strukturen und ein Förderwirrwarr, das eher lähmte, als Innovation zu beflügeln. Dass 2023 immerhin die noch junge Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND) der alleinigen Aufsicht des damaligen BMBF zugeordnet wurde, galt schon als Erfolg – weil sie damit dem ständigen Tauziehen entzogen war.
Vor diesem Hintergrund war die Erwartung groß, dass mit dem Umbau des BMBF zum BMFTR nun ein grundsätzlicher Schnitt erfolgt. Forschung, Technologie und Raumfahrt aus einem Guss – das war die Vision, die schon vor der Bundestagswahl von den großen Forschungsorganisationen unterstützt wurde. Wenn sich die Koordination zwischen Forschungs- und Wirtschaftsministerium offenkundig nicht leisten lasse, "dann müssen die Strukturen geändert werden", hatte auch der frühere Vorsitzende der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Uwe Cantner, gefordert. Und der schwarz-rote Koalitionsvertrag hatte nicht nur den Umbau des BMBF zum Ministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt verkündet, sondern zugleich die "Initiative Forschung & Anwendung" als Symbol eines kohärenten Neustarts in der Innovationspolitik ausgerufen. Als künftige "Dachmarke", wie es hieß, aller einschlägigen Förderprogramme für Transfer, Innovation und angewandte Forschung aus Forschungs- und Wirtschaftsministerium – inklusive ZIM & Co.
Was natürlich die Erwartungen schürte, dass sich dieser Neustart in einer ebenso kohärenten Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Ministerien widerspiegeln würde. Nun aber droht die Veränderung der Strukturen auf halbem Wege stehenzubleiben: mit SPRIND, Raumfahrt, Entwicklung digitaler Technologien oder Games im BMFTR – aber ohne zentrale innovationspolitische Hebel.
Dass es so kommt, hatten viele schon vermutet, als Bär am 1. August eine Hausmitteilung an die BMFTR-Mitarbeiter schrieb, welche Referate "absehbar" ins BMFTR wechseln sollten – und die Förderprogramme dabei nicht nannte. Aber, beeilte man sich damals im Hintergrund zu versichern, noch sei vieles in Bewegung. Dabei sollten bis zum 1. August laut Organisationserlass eigentlich die weiteren "Einzelheiten des Übergangs zwischen den beteiligten Mitgliedern der Bundesregierung geregelt" sein.
Nun zeigt sich: Der alte Reflex in Ministerien, Zuständigkeiten möglichst nicht aus der Hand zu geben, hat sich offenbar erneut durchgesetzt, Bärs Kollegin Reiche schaltete auf stur. Was das für Bärs ehrgeizige Pläne etwa bei der Hightech-Agenda bedeutet, bleibt abzuwarten. In der Sitzung habe sie gesagt, dann müsse man halt die Schnittstellen zwischen den Ressorts besser machen – was Experten wie Uwe Cantner, siehe oben, aus Erfahrung freilich für sehr unwahrscheinlich halten.
In der Ausschusssitzung, berichten Teilnehmer weiter, habe das Ministerium auf Nachfrage erstmals auch Zahlen genannt: 170 Stellen sollen demzufolge aus dem BMFTR ins neue Bildungsressort von Karin Prien wechseln, wobei es sich hauptsächlich um die bisherige Bildungsabteilung handelt. Während aus BMWE und Verkehrsministerium 60 bis 70 hinzukommen. Unterm Strich eine Verkleinerung gegenüber dem früheren BMBF.
Bär: In der Gesamtschau wird das BMFTR gestärkt
Nach der Sitzung erklärte Ayşe Asar, Sprecherin der Grünen für Forschung, Technologie und Raumfahrt, die Bundesregierung verspreche einen technologischen Aufbruch, doch von einer konsistenten Strategie könne bislang keine Rede sein. Im Grundsatz sei es zwar richtig, Zuständigkeiten in der Innovationspolitik stärker zu bündeln. Doch nach mittlerweile 128 Tagen seit Ankündigung herrsche weiter keine Klarheit über den Ressortzuschnitt. Es sei "sinnwidrig, die Grundsatzangelegenheiten der Innovationspolitik im BMFTR zu verorten, während die zentralen Förderprogramme im Wirtschaftsministerium verbleiben". Damit werde aufgebrochen, was für eine erfolgreiche Technologiepolitik entscheidend sei: Strategie und Umsetzung aus einer Hand.
Vom Unions-Koalitionspartner SPD kommt auf Anfrage eine Mischung aus Diskretion und klarer Ansage. Oliver Kaczmarek, Sprecher für Bildung und Forschung, sagte, er äußere sich nicht zu den Inhalten einer nichtöffentlichen Sitzung. "Allerdings verweise ich auf die Organisationshoheit des Bundeskanzlers. Unsere Erwartung als SPD-Fraktion ist, dass die Organisation der Bundesregierung den politischen Zielen folgt."
Ein bisschen äußerte sich Dorothee Bär dann übrigens doch. Die formale Umsetzung des Organisationserlasses steht zwar noch aus, sagte sie am Mittwochabend. "Aber faktisch arbeiten die Kolleginnen und Kollegen seit Mai 2025 schon für die Themen meines Hauses." Das Forschungsministerium sei mit den neuen Themen und Zuständigkeiten deutlich gestärkt. " Dabei geht es nicht so sehr darum, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von welchem Ministerium in welches Ministerium gehen oder von dort kommen. Sondern es geht um die Gesamtschau: Das zeigt, dass das BMFTR gestärkt wird." Allein das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), für das ihr Haus künftig zuständig sei, habe 11.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. "Und für die SPRIND mit ihren gut 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist mein Haus künftig allein zuständig. Das ist wichtig, damit wir mehr Wettbewerbsfähigkeit, Wertschöpfung und Souveränität durch Forschung und Technologie erreichen. Und zwar schnellstmöglich."
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