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Künftig nur noch alle acht Jahre

Die Kultusministerkonferenz will die Akkreditierungszeiträume verlängern. Was noch in der fast fertigen Musterrechtsverordnung steht –und worüber sich die Ministerien aktuell streiten.

Foto: evondue
Foto: evondue

LANGE WAR ES STILL um die Zukunft der Akkreditierung – zu still, fanden viele, denn unterdessen verhandelten die Wissenschaftsministerien das Kleingedruckte. Jetzt haben die Ministerialbeamten die Arbeit an der sogenannten „Musterrechtsverordnung“ fast beendet, und die Kultusministerkonferenz (KMK) hat sich zu einem erfreulichen Schritt entschlossen: Bevor sie die gut zwei Dutzend Seiten beschließt, will sie den Entwurf nochmal in eine „schriftliche Anhörung“ geben. Also nicht die Maximaltransparenz wie bei der Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“, die die KMK vorab online zur Diskussion gestellt hatte, aber immerhin sollen „alle relevanten Stakeholder“ die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.

 

Diese Stakeholder sind laut KMK: die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), die Arbeitgeber und die Gewerkschaften, die Studierenden, die Sprecher der Agenturen, der Akkreditierungsrat, die Berufsakademien, der Verband der Privaten Hochschulen und, wegen der kirchlichen Abschlüsse, die Kirchen. Wie hoch der Termindruck mittlerweile ist, zeigt, dass die Kultusminister gerade 14 Tage für die schriftlichen Rückmeldungen einräumen wollen.

 

Was aber steht nun drin im Entwurf der Musterrechtsverordnung? Ein paar Schlaglichter vorab: Die Akkreditierungszeiträume werden auf acht Jahre gestreckt, die Hochschulen sollen Lehrverfassungen beschließen, und neben Programm- und Systemakkreditierung kann es künftig „alternative Verfahren“ geben. 

 

Ein paar Details: 

 

o Hochschulen, die ihr Qualitätsmanagementsystem akkreditiert bekommen wollen, müssen künftig eine "Lehrverfassung" vorweisen können. Mit dieser Forderung setzen die Kultusminister eine Empfehlung des Wissenschaftsrats um. Die Lehrverfassungen müssen sich in den Studiengängen widerspiegeln. Weiter heißt es in der Musterrechtsverordnung: „Das Qualitätsmanagementsystem ist integraler Bestandteil der Gesamtstrategie zur Umsetzung der Lehrverfassung und zielt darauf ab, die Studienqualität kontinuierlich zu verbessern.“ 

 

o Hervorgehoben wird im Entwurf die Bedeutung eines kontinuierlichen Studiengangsmonitorings und einer vernünftigen Statistik: „Die für die Umsetzung der Lehrverfassung erforderlichen Daten werden hochschulweit und regelmäßig erhoben.“

 

o Die Agenturen sind im Akkreditierungsverfahren künftig für die Begutachtung der formalen Kriterien zuständig. Ihr Bericht geht an die Gutachter, die wiederum die fachlich-inhaltlichen Kriterien prüfen. 

 

o Bei der Formulierung der fachlichen und wissenschaftlichen Anforderungen nimmt der Entwurf der Musterrechtsverordnung Anleihen beim Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse und nennt die Aspekte "Wissen und Verstehen" (Wissensverbreiterung, Wissensvertiefung und Wissensverständnis), "Einsatz, Anwendung und Erzeugung von Wissen" (Nutzung und Transfer, wissenschaftliche Innovation) sowie "Kommunikation und Kooperation" und "wissenschaftliches Selbstverständnis / Professionalität".

 

o Einem Gutachtergremium gehören bei einer Programmakkreditierung mindestens vier „fachlich nahestehende“ Personen an: zwei Hochschullehrer, ein/e Vertreterin aus der beruflichen Praxis und ein/e Student/in.  Bei Systemakkreditierungen steigt die Mindestzahl auf fünf Gutachter, davon mindestens drei Professoren. Und in jedem Fall verfügen die Hochschullehrer über die Mehrheit der Stimmen. Das Gutachten geht dann an den Akkreditierungsrat, der die Akkreditierungsentscheidung trifft.

 

o Zur Bestellung der Gutachter heißt es lediglich, sie würden von der beauftragten Agentur benannt. „Die Agentur ist bei der Bestellung an das von der Hochschulrektorenkonferenz zu entwickelnde Verfahren gebunden.“ Wie genau dieses Verfahren aussehen soll, will die HRK voraussichtlich bei ihrer Mitgliederversammlung im November beschließen. Allerdings sind die Hochschulrektoren nur für das Verfahren für die Hochschullehrer zuständig. Wie die Berufsvertreter und die studentischen Gutachter ausgewählt werden, dürfen offenbar weiter die Agenturen festlegen. 

 

o Dass es neben Programm- und Systemakkreditierung im Rahmen einer Experimentierklausel „alternative Akkreditierungsverfahren“ geben kann, steht schon so im neuen Staatsvertrag. Die Verordnung sagt dazu, diese müssten vom Akkreditierungsrat genehmigt werden, allerdings könne der Rat die Genehmigung nur dann versagen, wenn das Verfahren den Grundsätzen des Staatsvertrags widerspricht. Die Genehmigung gilt für zunächst acht Jahre, das Verfahren muss am Ende unabhängig evaluiert werden.

 

o Und, wie bereits erwähnt: Akkreditierungen und Reakkreditierungen gelten künftig für acht Jahre. 

 

Alles in allem liest sich der Entwurf der Musterrechtsverordnung erstaunlich konkret und in sich stimmig. Bis auf eine ungeklärte Kontroverse, die sich seit dem Verfassungsgerichtsurteil wie ein roter Faden durch die Verhandlungen um die Reform der Akkreditierung zieht. Es handelt sich um die Gretchenfrage der Akkreditierung: Wie hältst du es mit dem Diplom? Wieder ist es vor allem Mecklenburg-Vorpommern, das auf der Diplom-Lösung besteht, diesmal aber mit dem Minderheitsvotum von sechs Ministerpräsidenten im Rücken, die bei der Verabschiedung des Akkreditierungsvertrages ihre Erwartung geäußert hatten: In der Musterrechtsverordnung  müsse „eine für alle Länder tragfähige Lösung zur Anerkennung des Diploms“ erreicht werden.

 

Im Entwurf ist betont nüchtern von „Entscheidungsbedarf zu folgenden Lösungsoptionen“ die Rede. Maximaloption eins: Nur die Abschlussbezeichnungen Bachelor und Master sind erlaubt. Maximaloption zwei: Will ein Land das Diplom verleihen, dann darf es. Die zuständigen Beamten in den Ministerien hatten ihren Staatssekretären für deren letzte Sitzung nicht weniger als vier Kompromisslösungen (von einer Äquivalenzlösung über eine Bestandsgarantie bestehender Diplom-Abschlüsse bis hin zu einer Diplom-Verleihung nur auf Antrag der Studenten) ausgearbeitet, einigen konnte man sich bislang auf keine. 

 

Der Verständigungsdruck ist groß, aber nicht übermächtig. Eine ländereinheitliche Musterrechtsverordnung ist keineswegs verpflichtend, im Gegenteil: Theoretisch darf jedes Land separat definieren, wie es den Staatsvertrag in konkrete Anwendungsregeln umzusetzen gedenkt. Was sicher nicht so kommen wird. Denkbar ist allerdings, dass es am Ende 15 gleichlautende und eine abweichende Verordnung geben könnte. Zumindest ist das ein Szenario, was derzeit wieder diskutiert wird. Jetzt müssen die Minister ran. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Hans W. (Donnerstag, 21 September 2017 09:33)

    Hallo Herr Wiarda, weil Ihr Blog sonst so hochwertig für den Bereich ist, erlaube ich mir eine kleine Anmerkung: Das Bundesverfassungsgericht hat einen Beschluss gefasst und nicht ein Urteil gefällt. Der Unterschied mag marginal erscheinen, aber dem kundigen Leser vermittelt der Begriff Wissen über die Art des Verfahrens bzw. des Streites.
    Weil nur über Rechtsfragen gestritten wurde, konnte eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung - im Wege eines Beschlusses - gefasst werden. Wären auch Tatsachen streitig gewesen, hätte es einer mündlichen Verhandlung bedurft und die Entscheidung wäre ein Urteil geworden.
    Freundliche Grüße

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Donnerstag, 21 September 2017 09:34)

    Lieber Hans W.,

    haben Sie besten Dank für diese Erläuterung und die Korrektur! Wieder was gelernt – und den Blog-Lesern ist damit auch gedient.

    Viele Grüße
    Ihr J-M Wiarda

  • #3

    Jens Halfwassen (Samstag, 23 September 2017 17:13)

    Ich halte die Musterrechtsverordnung insgesamt für verfassungswidrig, weil sie auch Sachverhalte rein exekutiv regelt, die wie zB Reakkreditierungsgebote, Akkreditierungsauflagen oder die Akkreditierungsfristen grundrechtsrelevant sind und darum nach dem Wesentlichkeitsgrundsatz allein vom Gesetzgeber geregelt werden dürfen, wie auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung nachdrücklich hervorgehoben hat. "Ermächtigungsgesetze", mit denen der Gesetzgeber seine Kompetenzen der Exekutive überträgt, verstoßen gegen die Gewaltenteilung (Art. 20 GG). Die Verordnung wird darum eine gerichtliche Nachprüfung wohl nicht überstehen. Ich freue mich bereits auf den Musterprozeß des Deutschen Hochschulverbands!